Der Sehnsucht verfallen: Roman (German Edition)
nach unten in den Saal. Wolf blieb stehen und wartete, bis sein Freund außer Sichtweite war. Dann ging er zurück in sein Privatgemach und setzte sich zu Isobel aufs Bett. In ihrem von dem Heiltrank verursachten tiefen Schlaf machte sie einen völlig friedlichen Eindruck. Er entspannte sich, da er wusste, dieser Anschlag auf ihr Leben war vereitelt worden. Der Attentäter hatte es nicht geschafft, sie ihm wegzunehmen.
Sie ihm wegzunehmen? Er stutzte. Seit wann betrachtete er sie als sein Eigentum, das man ihm wegnehmen konnte? Sie war doch praktisch eine Fremde. Mitgefühl überkam ihn, und er streckte die Hand nach ihr aus, um ihr mit einem Finger über die Wange zu streichen.
So zart, so sanft, so unschuldig.
Sein Atem stockte. Sie war unverdorben und rein. Brahan hatte sich geirrt. Isobel war nicht von der Art, die ihn zu täuschen versuchte. Dank Fiona hatte er genug Erfahrung, was Täuschungsmanöver anging, um den Unterschied zu erkennen. Und schon bald würde dieses sanftmütige Geschöpf seine Frau sein.
Er ließ seinen Finger über ihr Kinn bis zu ihrer Kehle wandern, woraufhin Isobel einen leisen Seufzer ausstieß und ihren Kopf zu seiner Hand drehte, als würde ihr seine Berührung gefallen und sie sich nach mehr sehnen.
»Ich werde dich vor Grange beschützen«, murmelte er. Zugegeben, sie war nicht die Einzige, die er vor Grange beschützte, doch in ihrem Fall hatte seine Erklärung etwas Persönlicheres als bei den anderen. Der Wunsch, für die Sicherheit der anderen zu sorgen, war für gewöhnlich ein Ansporn, gegen seinen Feind vorzugehen. Aber dieses Versprechen gab ihm das Gefühl, dass mehr damit verbunden war. Sobald sie in seiner Nähe war, weckte sie seinen Beschützerinstinkt.
Isobel brauchte diesen Schutz jedoch auch. Wolf musterte sie, wie sie reglos dalag, und fragte sich, ob das wohl der Grund war, weshalb sein Vater ihn losgeschickt hatte, um sie zu holen. War das Ganze möglicherweise nur ein weiteres Täuschungsmanöver von seinem Vater, oder verfolgte er zur Abwechslung einmal ehrbare Absichten? Das wäre eigentlich zu schön gewesen, um wahr zu sein.
Wolf lehnte sich zurück und verwarf den Gedanken. Sein Vater hatte bis heute nichts geleistet, was eine solche Hoffnung rechtfertigte. Seine wahren Absichten würden so wie stets erst nach einer Weile ans Licht kommen.
Woran Wolf aber nicht mehr zweifelte, das war seine Heirat. Er würde diese Frau heiraten, die hier vor ihm im Bett lag. Dieses Opfer war angemessen, wenn er sie so vor Grange schützen konnte.
Sein Blick wanderte zurück zu ihrem Gesicht und verharrte am sanften Schwung ihrer Wange, an ihrem langen Hals. Ja, er würde sie beschützen. Wieder spürte er diese Wärme, die sich bei dem Gedanken in seiner Brust regte. Wem wollte er eigentlich etwas vormachen? Was Isobel anging, war es nicht nur Pflichtgefühl, das ihn dazu veranlasste, sie zu beschützen. Nein, sie weckte in ihm auch Gefühle, die zu empfinden er kein Recht hatte.
Jeder andere Mann mochte zu solch seltsamen Gefühlen fähig sein, er jedoch nicht. Seine Vergangenheit und sein schlechter Ruf würden ihn immer begleiten, sie waren wie eine Kluft, die sich allen Kraftanstrengungen zum Trotz nicht überwinden ließ. Dafür hatte sein Vater gesorgt, und keine Frau mit goldenem Haar konnte daran etwas ändern, so sehr er sich das auch wünschen mochte.
Es war besser, wenn er sich auf die Dinge konzentrierte, an denen er sehr wohl etwas ändern konnte. »Sobald wir verheiratet sind, werde ich ihn jagen«, sagte er zu Isobel. »Ich werde dich beschützen, und wenn es das Letzte ist, was ich in meinem Leben tue.«
Vierzehntes Kapitel
Messinglaternen waren rings um Isobels Bett aufgestellt worden, von denen goldene Ranken aus flackerndem Licht durch das Gemach zuckten, die bis in die dunklen Ecken reichten.
Mistress Rowley saß neben der schlafenden Isobel und kämmte behutsam deren Haar. Die Frau hatte ihr ein schneeweißes Nachtgewand angezogen. Unter der Bettdecke schauten ihre Schultern hervor, die Wolf genießerisch betrachtete, dann wanderte sein Blick weiter zu ihren Brüsten, die sich mit jedem Atemzug hoben und senkten und dabei gegen den dünnen Stoff ihres Nachthemds drückten.
Verführerisch und unschuldig zugleich.
Er gestattete sich ein wehmütiges Lächeln. Sie hatte so viel von einer Braut, und doch wusste er, dass Isobel keine Ahnung davon hatte, welch liebliches Bild sie abgab. Wie sollte sie auch, war sie doch immer noch
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