Der Sehnsucht verfallen: Roman (German Edition)
Raum bald mit wohltuender Wärme erfüllte.
Wolf schickte die Männer weg und setzte sich zu seinem Freund aufs Bett. Ein flüchtiges Lächeln umspielte dessen Mundwinkel, und obwohl er unnatürlich bleich war, machte er den Eindruck, als würde er sich so ausruhen wie an einem beliebigen Tag. Es gab allerdings einen ganz maßgeblichen Unterschied: Die Größe der weißen Strähne an seiner Schläfe hatte sich fast verdoppelt.
Der Preis für diese Vision war hoch – höher als von Wolf erwartet. Die Schuldgefühle lasteten erdrückend schwer auf seiner Brust. »Es tut mir leid, Brahan. Ich hätte auf dich hören und mich nicht auf diese Reise begeben sollen. Aber das wollte mein Stolz nicht mitmachen.«
»Zweifelst du an deiner Bestimmung?« Erleichtert atmete er auf. »Geht es dir gut?« »Ja. So wie dir.« Brahan streckte sich und drückte die Hand fest auf Wolfs Schulter, um ihm die Last zu erleichtern, die auf ihm ruhte. »Zweifle nicht an dem Weg, den du eingeschlagen hast.«
»Vor nicht allzu langer Zeit hast du sogar noch an meiner Entscheidung gezweifelt.«
Brahan lachte leise. »Ich habe mich geirrt.«
Wolf sah keinen Grund zur Belustigung, stattdessen blickte er ernst auf Brahans Strähne.
»Ist es so schlimm?«, fragte Brahan, während er die Hand hob, um sein Haar zu berühren.
Wolf versuchte sich an einem lässigen Schulterzucken. »Die Frauen werden es zweifellos für heroisch halten.«
Brahan lächelte noch breiter. »Dann war es ja nicht ganz vergebens«, meinte er und versuchte, sich im Bett aufzusetzen.
Da er wusste, dass sein Freund es nicht schätzen würde, bot er ihm nicht seine Hilfe an, um ihn hochzuziehen. »Fühlst du dich gut genug, um über das zu reden, was du gesehen hast?«
»Ich sah sein Gesicht«, sagte er und machte dabei eine nachdenkliche Miene.
»Das Gesicht des Fremden?«
»Aye. Zuerst war ich mir nicht sicher, dann veränderte sich etwas, und auf einmal wurde es klar und deutlich.«
»Wer?« Wolf versteifte sich, da er damit rechnete, jeden Moment den Namen seines Vaters zu hören.
»Lord Grange.«
»Grange?« Wolf spürte, wie seine Stimme vor Wut bebte. »Dass er mich töten will, kann ich noch verstehen. Aber warum Isobel? Sie ist unschuldig.«
»Ist sie das tatsächlich?«
Wolf erhob sich, aufgewühlt durch ein Wirrwarr aus Wut und Erstaunen, die dicht unter seinen Gefühlen brodelten. Warum sollte Brahan eine solche Bemerkung über jemanden sagen, von dem er so wenig wusste? »Hast du etwas Entsprechendes in deiner Vision gesehen?«
Brahan schüttelte den Kopf. »Nein. Es ist nur so, dass sie so unschuldig ist … zu unschuldig, wenn du mich fragst. Ich nehme bei ihr etwas wahr, das ich bei unserer ersten Begegnung nicht gespürt hatte.«
»Und was wäre das?«
Er griff nach der Tasche, in der er den Schicksalsstein aufbewahrte. »Zum einen ist da die Frage, warum der Stein so auf ihre Nähe reagiert hat, wie du es mitansehen konntest.« Er erschrak, als seine Finger ins Leere griffen. »Er ist weg.«
»Keine Bange.« Wolf hielt ihm den Stein hin. »Du hast ihn fallen lassen, als die Vision vorüber war.«
Er steckte den Stein in die Tasche und drehte sich so, dass er auf der Bettkante sitzen konnte. »Was wir brauchen, sind Antworten. Lady Isobel kann uns diese Antworten geben.«
»Unmöglich. Sie steht unverändert unter dem Einfluss des Giftes.«
Brahan schürzte die Lippen und nickte verstehend. »Und was tun wir, bis sie sich davon erholt hat?«
»Wenn du aufstehen kannst, dann musst du einer Hochzeitszeremonie beiwohnen.«
Er hob eine Braue. »Ist das dein Ernst?«
»Mein voller Ernst. Deine Vision hat zwei Attentäter ausmachen können. Wenn Grange gegen meine Heirat ist, werden die Angriffe auf Isobels Leben aufhören, sobald wir verheiratet sind.«
»Entweder das, oder sie werden noch weiter zunehmen«, hielt Brahan dagegen.
»Die Männer und diese Burg werden dafür sorgen, dass ihr nichts zustößt.«
»Hat Isobel dabei irgendetwas mitzureden?«
»Nicht ein einziges Wort«, erwiderte Wolf geradeheraus.
Brahan stand auf und war zuerst etwas wackelig auf den Beinen, was sich aber zunehmend besserte. »Dann bringen wir es hinter uns.«
Wolf nickte und ging zur Tür. Je eher das erledigt war, umso besser. Auf dem Gang zögerte er dann aber. »Geh du schon und bereite alles vor«, sagte er. »Ich muss erst etwas anderes erledigen.«
Brahan sah ihn zwar fragend an, doch er entgegnete nichts. Stattdessen nickte er knapp und begab sich
Weitere Kostenlose Bücher