Der Sehnsucht verfallen: Roman (German Edition)
wie beim letzten Mal. Davon ließ sie sich aber nicht abhalten, denn sie brauchte Hilfe bei ihrem Vorhaben, und er konnte ihr zur Seite stehen.
Das Knistern der Holzscheite und das Fauchen der Flammen waren die einzigen Geräusche im Saal. Normalerweise sorgte das Feuer für behagliche Wärme im Saal, doch heute war davon nichts zu spüren. Vielmehr wirkten die Flammen fehl am Platz und loderten ungewöhnlich laut.
»Walter?«, fragte sie, da er nicht aufsah, als sie vor ihm stand.
Er trank einen Schluck Ale. »Was wollt Ihr?«
»Darf ich mich zu Euch setzen und mit Euch über eine Angelegenheit reden?«
Schließlich hob er den Kopf. »Wenn Ihr wisst, was gut für Euch ist, werdet Ihr Euch von mir fernhalten.« Er stellte den Krug zur Seite.
Sie weigerte sich, auf die Nervosität zu reagieren, die sie plötzlich überkam, und setzte sich ihm gegenüber auf die Sitzbank auf der anderen Seite der Tafel. »Ich benötige Eure Hilfe, Walter. Ich weiß nicht, wem ich sonst vertrauen kann.«
»Mir solltet Ihr ganz gewiss nicht vertrauen.« Nicht Wut, sondern Bedrücktheit schwang in seinen Worten mit. »Geht von hier fort, solange Ihr noch könnt.«
»Es hatte eine Zeit gegeben, da wollte ich das um jeden Preis. Aber jetzt liegen die Dinge anders.«
Sein Blick hatte etwas Stechendes an sich. »Wieso? Weil er mit Euch das Bett geteilt hat? Das hat er schon mit vielen Frauen getan. Da müsst Ihr nur Fiona fragen. Früher oder später wird er Eurer genauso überdrüssig. Und was wird dann aus Euch?«
Unbehagen erfüllte sie, doch sie ging nicht darüber hinweg, wie sie es in der Vergangenheit gemacht hätte. Womöglich hatte Walter Recht. Für Wolf gab es viele Gründe, sich von ihr abzuwenden, erst recht dann, wenn er die Wahrheit über sie herausfand.
Isobel straffte die Schultern und stellte sich Walters Blick. Er hatte wissen wollen, was aus ihr werden sollte, falls Wolf ihrer überdrüssig wurde. Ganz offenbar wusste dieser Mann nichts über ihre Vergangenheit. Ihre momentane Situation war das Paradies im Vergleich zu dem, was sie bis dahin durchgemacht hatte. Selbst wenn Wolf sie morgen in die Wildnis der Highlands verbannen sollte, würde es ihr immer noch besser ergehen als zuvor. Wenigstens war sie dann frei und konnte selbst über ihr Schicksal entscheiden.
Sie wusste, als auf sich gestellte Frau ohne Kontakte und ohne Familie standen ihr nicht allzu viele Möglichkeiten offen, doch sie würde überleben, davon war sie fest überzeugt. Sie betrachtete ihre Handgelenke und die Narben, die die Fesseln hinterlassen hatten. In der Vergangenheit hatte sie kaum besser als ein Tier gelebt, und das konnte sie auch wieder, wenn es gar nicht anders ging. Um zu überleben, brauchte sie keine eleganten Kleider, keine üppigen Mahlzeiten und nicht mal ein warmes, weiches Bett. Das Leben im Gefängnis hatte sie mehr abgehärtet, als es die meisten Frauen je sein würden.
Von neuem Selbstbewusstsein erfüllt, sah sie ihrem Gegenüber wieder in die Augen. »Ich danke Euch, Walter. Durch Eure Worte habe ich erkannt, dass ich Eure Hilfe gar nicht benötige. Ich kann das auch allein erledigen.« Als sie aufstand, schabte die Bank ein Stück weit über den Holzboden, so dass Walters erstaunter Laut kaum zu hören war.
»Ich wünsche Euch einen guten Tag.« Ehe er etwas entgegnen konnte, verließ sie die Tafel. Sie war entschlossen, den Mörder zu finden. Dafür musste sie eine Falle stellen … und einen unwiderstehlichen Köder auslegen.
Wer der Köder sein würde, das wusste sie bereits.
Sie selbst.
Mit zügigen Schritten näherte sich Isobel dem langen Gang am anderen Ende des Saals. Sie hatte mitbekommen, wie die Krieger von dort kamen und Kettenhemd und Rüstung trugen. Wenn sie sich auf ähnliche Weise schützen wollte, dann würde sie in dem Raum dort hinten sicher etwas Geeignetes finden. Von einer unheilvollen Stille begleitet, huschte sie durch das Halbdunkel. Auf dieser Seite waren nur wenige von Wolfs Glasscheiben eingesetzt worden, daher fehlte es hier an Licht.
Warum es an Fenstern mangelte, wusste sie nicht, aber ihr blieb auch keine Zeit, darüber nachzudenken, da zu ihrer Linken eine Tür in Sichtweite kam. Die war jedoch abgeschlossen, ebenso die nächste. Am Ende des Ganges angelangt, fand sie eine unverschlossene Tür vor. Das Vorhängeschloss war nicht verriegelt worden, so dass es seinen Zweck nicht erfüllen konnte, Unbefugte vom Betreten des Raums abzuhalten. Isobel drückte die schwere Tür
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