Der Sehnsucht verfallen: Roman (German Edition)
aussetzen.
Menschenleben standen auf dem Spiel, und Wolf konnte nur zwischen seinen Kriegern und seinem Freund wählen.
Er wollte weder die einen noch den anderen einem unnötigen Risiko aussetzen.
Vierundzwanzigstes Kapitel
Am Abend hatte sich Isobel zur Familie der ermordeten jungen Frau begeben, um ihr Beileid auszusprechen und Trost zu spenden. Am nächsten Morgen sah sie die Familie bereits wieder, um Hand in Hand mit ihnen dazustehen und sich einen Nachruf auf Cherie zu überlegen, die glücklose Küchenmagd, die ihr Leben nur deshalb verloren hatte, weil sie Isobel so ähnlich sah. Es gab keine Worte, die den Schmerz der Hinterbliebenen hätten lindern können, damit sie wieder den wohlverdienten Frieden fanden.
Die Mutter und der Vater standen rechts von ihr am Kopfende des Sargs, der im vorderen Teil der kleinen Burgkapelle aufgebahrt war. Die bedrückte Stimmung bildete einen krassen Gegensatz zu den leuchtenden Farben der Fenster, durch die die Morgensonne hereinschien. Goldene, rote, grüne und purpurne Farbflecke überzogen den Sarg und ließen ihn nach etwas Schönem aussehen, nicht aber nach etwas, das untrennbar mit dem Tod verbunden war.
Isobel gestattete sich ein flüchtiges, trauriges Lächeln, als ihr plötzlich die passenden Worte in den Sinn kamen. »So wie das Licht sie nun im Tod berührt, so möge es ihr auch ins Jenseits folgen. Möge Cherie in der ewigen Ruhe Frieden finden, und mögen ihre Eltern in den Armen ihrer Familie Trost erfahren.« Isobel schloss die Hand um die kalten Finger der Frau und warf dem Mann einen mitfühlenden Blick zu. »Lord Wolf und ich betrachten Sie und jeden, der in dieser Burg lebt, als Teil unserer Familie.«
Tränen stiegen der Mutter in die Augen.
»Das bedeutet uns sehr viel, Mylady.« Der Vater nickte ernst, dann legte er eine einzelne Lilie auf den Sarg seiner Tochter.
»Wir hatten so große Hoffnungen für Cheries Zukunft. Von all unseren Kindern zeigte sie die vielversprechendsten Leistungen.« Die Mutter wischte die Tränen weg, die ihr über die Wangen liefen. »Erst vor fünf Tagen wurde ihr eine Anstellung in der Küche gegeben. Es war Cheries Geschick im Umgang mit Kräutern, durch das sie auf sich aufmerksam machte.«
Plötzlich überkam sie ein wachsendes Unbehagen. Das Mädchen war an dem Tag in die Küche der Burg gewechselt, als Isobel hier eingetroffen war. »Wer entschied über diese Anstellung?«
»Natürlich Mistress Fiona. Bevor Ihr herkamt, war ihr die Küche unterstellt.«
Isobel sah wieder den Sarg an. Vielleicht war ihr Vater nicht als Einziger für das verantwortlich, was sich hier auf Duthus Castle abspielte. Sie wusste, er war in irgendeiner Weise daran beteiligt, aber bedeutete das auch, dass sich eine oder sogar mehrere Personen in der Burg aufhielten, die ihm halfen?
Fiona hatte die Leitung der Küche unter sich gehabt. Wie merkwürdig, dass sie selbst und Fiona ausgerechnet mit Essen vergiftet worden waren, das aus der Küche kam. Essen, das möglicherweise sogar durch die Hände der jungen Frau gegangen war, die Fiona gerade erst eingestellt hatte.
Isobels Gedanken begannen sich zu überschlagen. Vielleicht war Cherie gar nicht ermordet worden, weil sie Wolfs Ehefrau so ähnlich sah. Womöglich wurde hier etwas ganz anderes gespielt. Das war eine Überlegung, der sie auf jeden Fall weiter nachgehen sollte, wenn sie herausfinden wollte, was hier vor sich ging und wer für die Anschläge auf sie, Wolf und nun auch Cherie verantwortlich war.
Es war die einzige Spur, mit der sie sich derzeit befassen konnte.
Jetzt benötigte sie nur noch jemanden, der die Burg und ihre Bewohner gut genug kannte, um ihr behilflich zu sein. Und sie wusste auch schon, an wen sie sich wenden musste.
Nachdem sie sich von der Familie verabschiedet hatte, machte sie sich auf den Weg zum Saal. Dort angekommen, blieb sie gleich hinter der schweren Eingangstür stehen und sah sich um. Im Saal hielt sich nur ein einziger Mann auf, der nahe dem großen Kamin saß und einen Krug mit Ale in den Händen hielt. Die übrigen Krieger waren bis auf wenige Ausnahmen mit Wolf losgeritten.
Walter dagegen war hiergeblieben, um zusammen mit den übrigen Kriegern für Isobels Sicherheit zu sorgen. Nach seiner mürrischen Miene zu urteilen, missfiel ihm Wolfs Entscheidung.
Isobel fasste sich ein Herz und ging auf Wolfs Bruder zu. Diesmal hielt sich niemand in der Nähe auf, der beschwichtigend auf ihn einwirken konnte, sollte er wieder so aufbrausen
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