Der Sehnsucht verfallen: Roman (German Edition)
mühelos auf und betrat den Raum.
Große Leuchter hingen zu beiden Seiten der Kammer an massiven Eisenhaken und tauchten alles in ein sattes, goldenes Licht. Wohin sie auch blickte, überall hingen Waffen an den Wänden, vom Holzfußboden bis zur gewölbten Decke. Alles war ordentlich nach Waffengattung sortiert: Speere und Lanzen, Schwerter und Dolche, Pfeile und Bogen, Armbrüste, Streitkolben und -äxte, dazu eine ganze Reihe von Schilden. Die metallischen Oberflächen warfen das Licht der Flammen zurück und ließen die Waffenkammer eher wie einen magischen Ort wirken, weniger wie eine Lagerstätte der Zerstörung.
Die Lücken an den Wänden ließen keinen Zweifel daran, dass Wolf und seine Männer die Burg vollständig bewaffnet verlassen hatten, um sich verteidigen, aber auch um angreifen zu können, wenn die Situation es erforderte. Angesichts der Tatsache, dass jemand das Schloss aufgebrochen hatte, waren Wolfs Leute nicht die Einzigen, die sich in diesem Arsenal bedient hatten. Der Gedanke bereitete ihr Unbehagen, doch sie ging darüber hinweg. Sie war aus einem bestimmten Grund hergekommen, und nichts würde sie aufhalten können.
Sie begab sich zu den Kettenhemden und durchsuchte die schweren Kleidungsstücke, bis sie das Richtige gefunden hatte.
»Perfekt«, murmelte sie zufrieden und hielt ein Kettenhemd hoch, das vermutlich für einen Knappen oder einen Jugendlichen angefertigt worden war. »Jetzt muss ich nur noch eine Waffe finden, die ich auch handhaben kann.« Mit dem Kettenhemd über dem Arm ging sie an den Waffen entlang, die an der hinteren Wand hingen, doch mit keiner von ihnen hatte sie irgendwelche Erfahrungen sammeln können.
Vor den Armbrüsten blieb sie stehen, um sie mit einer Mischung aus Abscheu und Neugier zu betrachten. Zweimal schon hatte der Verräter in ihrer Mitte zu dieser Waffe gegriffen, und sie war auch genau das Werkzeug, mit dem Isobel ihn würde überführen können.
Sie zögerte, ihre Finger berührten fast die Armbrust direkt vor ihr. Konnte sie etwas so Kühnes wirklich wagen? Noch vor einer Woche hätte sie sich vor Angst lieber in den Hühnerstall zurückgezogen, aber jetzt forderte sie sich selbst heraus, um mehr zu tun, als sich zu verstecken.
Bedächtig nahm sie die Armbrust und zwei Pfeile von der Wand. Sie würde tun, was sie konnte, und zwar ohne Rücksicht auf ihre eigene Zukunft. Jetzt hatte sie, was sie benötigte, um ihre Falle zu stellen, nun musste sie nur darauf warten, dass der Attentäter erneut zuschlug.
Eine schrille Dudelsackmelodie wurde zu ihnen herangetragen und ließ Wolf innehalten. Er gab seinen Männern ein Zeichen, damit sie anhielten. Die untergehende Sonne tauchte die Klippen, wo sich sein Trupp versammelt hatte, in goldenes Licht. Wolf suchte das unterhalb davon gelegene Gebiet ab und entdeckte, was er bereits erwartete: den Tross seines Vaters. Der Bericht, den der verletzte Krieger erstattet hatte, war nicht allzu umfassend, aber zutreffend gewesen.
Argwohn und Wut rückten an die Stelle jener Unruhe, die Wolf aus seiner Burg und damit fort von seiner Braut getrieben hatte. Sein Vater war nicht in Gefahr, nein, hier lief etwas ganz anderes ab.
Wolf versteifte sich, doch der Klang der Dudelsäcke zeigte bereits Wirkung. Er drang tief bis in Wolfs Inneres vor und nahm ihn mit an einen früheren Tag. Mit geschlossenen Augen stand er da und ließ sich von der Musik durchfluten. Im Geiste sah er vor sich das Land. Er konnte hören, wie kaltes, klares Wasser durch die Flussbetten strömte, die sich zwischen den Klippen hindurchzogen. Und er hörte den Wind, wie er über die Seen und die Hügel peitschte.
Er liebte dieses Land so sehr wie seine eigene Freiheit, aber nur sein Vater wusste das. Wolf schlug die Augen auf und betrachtete die Feuer, die rings um das Lager unter ihnen brannten. Dort scharten sich die Truppen seines Vaters, und wie es aussah, würden sie sich so bald nicht auf den Weg nach Duthus Castle begeben.
Sein Vater -; Robert II. von Schottland, ein Schotte, ein Stewart und ein rechtmäßiger König auf dem Thron -; hatte Clansmitglieder mitgebracht, die hinter ihm standen. Die Clanführer waren um ihn herum versammelt, zweifellos bereit, ihn gegen den Mann zu unterstützen, der seinerseits Anspruch auf den Thron anmeldete: Lord Henry Grange. Die Klänge der Dudelsäcke sagten alles: Das war die Melodie des Krieges.
»Was will er?«, fragte Brahan, der sein Pferd neben dem von Wolf zum Stehen
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