Der Sehnsucht verfallen: Roman (German Edition)
brachte.
»Vermutlich Granges Attacken ein für alle Mal ein Ende setzen«, erwiderte Wolf.
»Gut geraten«, meldete sich eine fremde Stimme zu Wort.
Wolf drehte sich um und sah, wie eine Reihe von Bogenschützen hinter ihm und seinen Leuten in Stellung ging. Jeder von ihnen hatte einen Pfeil angelegt und war feuerbereit.
»Artemis.«
Der Mann nickte voll ungewohnter Arroganz. »Ihr dürft mich mit Lieutenant anreden.« Er trat vor und hielt sein Schwert in einer Drohgebärde hoch. »Ich bin der neue Liebling des Königs.«
»Ein neuer Titel? Eine Beförderung? Und wen musstet Ihr umbringen, um Euch darum verdient zu machen?« Wolf sprach in beiläufigem, gelangweiltem Tonfall. Ihm war der Mann selbst so egal wie der Grund dafür, dass er aus einem der untersten Dienstgrade am Hof seines Vaters so hoch aufgestiegen war. Dass Wolf sich überhaupt mit ihm abgab, lag nur daran, dass er Zeit herausschinden wollte, um einen Ausweg aus der misslichen Lage zu finden, in die er und seine Männer geraten waren.
»Der König möchte mit Euch reden«, forderte Artemis ihn auf und hielt sein Schwert kampfbereit, das genauso tödlich sein konnte wie die Pfeile der Bogenschützen.
Die Klänge der Dudelsäcke traten in den Hintergrund, an ihre Stelle trat das Knarren des ledernen Zaumzeugs und der Sättel, als sich die Pferde von Wolfs Männern unruhig bewegten. Die Atmosphäre war auf das Äußerste angespannt. Aus dem Augenwinkel bemerkte er, wie die Männer nach den Schwertern griffen und sich darauf einstellten, auf sein Nicken hin zum Angriff überzugehen. Wut sorgte dafür, dass sich Wolfs Magen verkrampfte. »Dann war alles nur ein Trick, um mich herzulocken?«
Artemis zuckte mit den Schultern. »Ich maße mir nicht an zu wissen, was dem König durch den Kopf geht. Er hat mich beauftragt, Euch zu ihm zu bringen, und das werde ich auch tun. Wir können das friedlich hinter uns bringen, oder aber Ihr werdet weitere Opfer unter Euren Leuten zu beklagen haben. Wie ist es Euch lieber?«
Wolf ballte die Fäuste so sehr, dass das Leder der Zügel ihm in die Hände schnitt. » Er hat meine Leute angegriffen und getötet, nicht Grange.«
»Der König tat, was er tun musste, damit Ihr herkamt.« Artemis hob sein Schwert, als wolle er jeden Moment zuschlagen.
Nervös sah Wolf nach links und rechts, um nach einem Fluchtweg zu suchen. Sein Pferd spürte seine Unruhe, es spannte sich an und blähte die Nüstern. Er wünschte seinen Vater zum Teufel, dass der ihn ein weiteres Mal so getäuscht hatte.
Sollte es zum Kampf kommen, dann befand sich Wolf zwar auf dem Pferderücken in der besseren Position, was Artemis als seinen Widersacher anging. Doch damit waren seine Leute nicht vor den Pfeilen der Bogenschützen sicher.
Die Galle kam ihm hoch, doch äußerlich ruhig lenkte er ein und nickte zustimmend. Seinen Männern gab er ein Zeichen, nicht zu den Waffen zu greifen und sich stattdessen hinter ihm zu versammeln. »Sollen wir dann?«, fragte er weniger im Tonfall einer Einwilligung als vielmehr einer Herausforderung, während er sein Pferd langsam die Anhöhe hinunter dirigierte.
Diesmal war sein Vater zu weit gegangen.
Der Abendhimmel wurde von schweren Regenwolken zusätzlich verdunkelt, Blitze zuckten durch die Düsternis. Dort oben am Himmel tobte bereits ein Gewitter, und das drohte auch hier unten auf der Erde. Unruhe erfasste Wolf, während er vor dem Zelt wartete und hörte, wie der Lieutenant ihre Ankunft verkündete. Schritte waren auf der anderen Seite des schweren Tuchs zu vernehmen, dann wurde die Zeltklappe umgeschlagen und ein schwacher Lichtschein drang nach draußen. »Ihr dürft jetzt eintreten.«
Wolf betrat das Reich des Königs, der Lieutenant folgte ihm nach drinnen und stellte sich mit gezücktem Schwert neben den Eingang.
Sein Vater saß in einem ausladenden, mit rotem Samt bezogenen Sessel, der inmitten des ganzen Kriegsgeräts gänzlich fehl am Platze wirkte. »Was willst du?« Wolf machte sich keine Mühe, die Verärgerung zu überspielen, die in seiner Stimme mitschwang.
»Deine Dienste«, sagte der König.
»Die meisten Menschen würden einfach fragen.«
»Ich bin nicht wie die meisten Menschen.«
Schweigend betrachtete Wolf den König, während er seine neuerliche Enttäuschung zu unterdrücken versuchte. Würde sein Vater ihn jemals wie einen geliebten Sohn behandeln, nicht nur wie einen Vasallen, der zu tun hatte, was ihm in den Sinn kam?
Der König stand auf und stützte sich schwer
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