Der Seitensprung
diese Frau ...«
Er unterbrach sich und blickte auf den Tresen hinunter, dann schaute er wieder auf und lächelte.
»Sie wissen schon. Sie ist mit zu mir gekommen und so. Und dann hat sie mir ihre Telefonnummer gegeben, und ich habe versprochen anzurufen, aber dann habe ich den Zettel verloren. Verdammt peinlich.«
Der Barmann grinste.
»So ein Mist. Tja, nicht schön so was.«
»Können Sie sich auch an sie erinnern?«
Eigentlich eine alberne Frage. Natürlich würde er sich erinnern. Niemand, der sie je gesehen hatte, konnte sie vergessen.
»Sie meinen diejenige, die Sie zum Cidre eingeladen haben?«
Jonas nickte.
»Sie heißt Linda. Ist sie oft hier?«
»So viel ich weiß, nicht, ich habe sie jedenfalls noch nie gesehen.«
Jonas fühlte seinen Mut sinken. Dieser Mann und diese Kneipe waren seine einzigen Verbindungen.
»Sie wissen also nicht, wie sie mit Nachnamen heißt?«
Der Barkeeper schüttelte den Kopf.
»Keine Ahnung. Tut mir Leid.«
Jonas schluckte.
Der Barmann betrachtete ihn kurz, dann hängte er sein letztes Glas auf, nahm den Kasten und ging. Jonas zog sein Handy heraus, der Display war noch immer leer. Sie wusste, wie er hieß und wo er wohnte, aber sie hatte trotzdem noch nicht angerufen. Er schaute sich um. Sah all die fremden Münder, die redeten und lachten, alle Augen, die einander suchten, alle Hände. Wo war sie jetzt? Saß sie jetzt in einer anderen Kneipe, einer Kneipe wie dieser, wo er nicht war? Der Gedanke, dass sie sich genau in diesem Augenblick unter anderen Menschen befand, dass die Augen eines anderen in diesem Moment auf ihr ruhen durften, dass ihre Gestalt sich vielleicht auf der Netzhaut eines anderen abbildete.
»Hören Sie, vielleicht kann ich Ihnen trotzdem helfen.«
Er drehte sich wieder zur Theke um. Der Barmann stand mit einer Quittung in der Hand vor ihm.
»Die ersten Gläser hat sie mit Karte bezahlt. Bevor Sie kamen.«
Das Herz machte einen Sprung in seiner Brust. Er streckte die Hand aus und ergriff die Quittung.
»Immer mit der Ruhe. Die brauche ich zurück.«
Er las den weißen Zettel. Handelsbank.
Zehn Kronen Trinkgeld hatte sie hinzugefügt, und dann hatte sie mit ihrem Namenszug unterschrieben. Der Barkeeper beobachtete ihn.
»Sagten Sie nicht, sie hieße Linda?«
Er las den Namenszug noch einmal. Wollte nicht verstehen.
»Das muss die falsche Quittung sein.«
»Nein, ich weiß noch, dass sie das war. Der Stift hat mittendrin seinen Geist aufgegeben, und wir mussten einen neuen nehmen, wie Sie sehen.«
Er deutete auf die Quittung. Die letzten Buchstaben waren mit einem anderen Kugelschreiber geschrieben.
»Das ist diejenige, die Sie zum Cidre eingeladen haben. Hören Sie, so gesehen ist es vielleicht doch nicht so angebracht, dass Sie sich melden, oder?«
Der Barkeeper grinste schief, während er das sagte, als handele es sich um einen unbedeutenden Rückschlag.
Jonas konnte den Blick nicht von den vollkommen unbegreiflichen Buchstaben wenden. Die Frau, die ihn dazu gebracht hatte, Anna im Stich zu lassen, die ihr geholfen hatte, ihre ungerechtfertigte Rache zu verwirklichen, hatte ihn angelogen. Der Name, den er in den vergangenen vierundzwanzig Stunden lieben gelernt hatte, war eine Lüge, eine Lüge, die genau in sein Innerstes traf.
Ihr Name war Eva.
Eva Wirenström-Berg.
ÜBERBACKENES SCHWEINEFILET mit Hasselbackkartoffeln. Und dazu ein Rioja von neunundachtzig. Für den hatte sie hundertzweiundsiebzig Kronen hingeblättert.
Sie hätte ebenso gut die Flüssigkeit aus dem Klobürstenständer servieren können. Tatsächlich hatte sie sich das auch eine Weile überlegt.
Während des Essens redeten sie kein Wort miteinander, die notwendige Kommunikation verlief über Axel. Er hatte seine brennenden Kerzen auf dem Tisch bekommen, und nun saß er da auf seinem Tripptrappstuhl und dachte, sie verbrächten einen gemütlichen Abend miteinander. Wie immer freitags. Er hatte nicht die geringste Ahnung davon, dass die gemütlichen Abende in diesem Hause für immer der Vergangenheit angehörten und dass der Mann, der sie ihm genommen hatte, zu seiner Rechten saß und das Essen in sich hineinschlang, um so schnell wie möglich wieder in sein Arbeitszimmer zu entfliehen.
Henrik warf ihr einen hastigen Blick zu, stand auf und griff nach seinem Teller.
»Fertig?«
Sie nickte.
Mit der anderen Hand packte er die ofenfeste Form mit dem Schweinefilet und ging zur Spüle. Sie blieb sitzen. Wunderte sich ein paar Sekunden, dass er sich nicht
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