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Der Seitensprung

Titel: Der Seitensprung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karin Alvtegen
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wollte. Die Angeklagte gibt an, das Mädchen wie immer aufgefordert zu haben, nicht »weiter als bis zum Bauch« ins Wasser zu gehen, und nachdem sie die Badestelle bereits des Öfteren besucht hatten, habe das Mädchen gewusst, wie es sich zu verhalten habe. Sie versichert immer wieder, das Mädchen die ganze Zeit beaufsichtigt zu haben, was ihr geschiedener Ehemann bestreitet. »Sie lügt. Ich habe mehrfach ihr Mobiltelefon angerufen, aber es war immer besetzt. Außerdem ist sie laut Aussagen von Zeugen einmal zum Auto gegangen, um etwas zu holen.«
Der Staatsanwalt liest einen Auszug aus der Anrufliste des Mobilfunkanbieters der Angeklagten vor, der die Richtigkeit der Aussage des Mannes beweist. Die Anwältin der Frau, Julia Bäckström, bringt vor, die Angeklagte hätte das Kind beaufsichtigen können, obwohl sie telefonierte, und die ungewöhnlich starken Unterströmungen, die am Unglückstag vorkamen, seien für sie nicht vorhersehbar gewesen. Außerdem sei das Auto so geparkt gewesen, dass die Frau das Kind auch von dort im Blick habe behalten können. Die Angeklagte beschreibt, wie das Mädchen plötzlich unter der Wasseroberfläche verschwand und sie selbst durch die von ihr als solche erlebte starke Strömung abwechselnd rannte und schwamm. Alle Wiederbelebungsversuche waren vergeblich.
»Es war ein reines Unglück«, versichert die Frau mit leiser Stimme.
Auch Staatsanwalt Torsten Vikner glaubt nicht, dass die 27-jährige Frau die Absicht hatte, das Kind in Gefahr zu bringen. Aber für den Tatbestand fahrlässige Tötung ist keine Tötungsabsicht nötig. »Das Mädchen starb aufgrund der Unachtsamkeit der Angeklagten«, meint der Staatsanwalt und kommt immer wieder auf die Telefonate der Frau zurück.
»Das Kind war weit draußen im Wasser, und die Frau saß am Ufer und unterhielt sich.
«Die Anklage gegen die 27-Jährige hat Varberg im vergangenen halben Jahr in zwei Lager gespalten. Die eine Seite, bestehend aus Kollegen und Eltern der Kindertagesstätte, in der die Frau beschäftigt ist, beteuert das Pflichtgefühl der Frau und ihr gutes Händchen mit Kindern, während die andere eine Schmutzkampagne betrieben hat, die am ehesten mit einer Hetzjagd zu vergleichen ist. Vor allem die Gerüchte, die die Telefonate der Frau betreffen, waren ihrer Anwältin zufolge schmerzhaft. Die Urteilsverkündung findet am Donnerstag statt.
    Sie hob den Blick und sah wieder aus dem Fenster. Blieb so sitzen und versuchte, das Gefühl zu identifizieren, das sie empfand. Sie hatte gefunden, wonach sie suchte, nein, sogar mehr als das, aber anstatt zu jubeln, war sie für einen kurzen Augenblick in der Lage, einen Schritt aus dem ganzen Dunkel in ihr hinauszutreten und sich selbst dort vor dem Computer sitzen zu sehen. Als ob eine Überlebende aus dem tiefsten Innern der alten Eva sich Gehör verschaffen wollte, sie zu warnen versuchte.
    Überleg genau, was du tust.
    Wie man sich bettet, so liegt man.
    Sie stand auf und ging in die Küche hinaus, öffnete den Kühlschrank und schloss ihn wieder, ohne sich daran erinnern zu können, was sie gesucht hatte.
    Dann griff sie nach dem schnurlosen Telefon, das auf der Küchenbank lag, und rief die Auskunft an.
    »Ich suche die Nummer des Amtsgerichts Varberg. Bitte verbinden Sie mich.«
    Das Geräusch einer klickenden Tastatur und dann das Klingeln.
    »Amtsgericht Varberg. Marie-Louise Johannesson.«
    »Hallo, ich heiße Eva. Ich würde gern wissen, welches Urteil bei einem Ihrer Prozesse im November 2001 gesprochen wurde.«
    »Welches Aktenzeichen?«
    »Das weiß ich nicht.«
    »Ich brauche es, um das Urteil zu finden.«
    »Wie kann ich es herausfinden?«
    »Was für ein Prozess war es denn?«
    »Ein Unglücksfall. Ein achtjähriges Mädchen ist ertrunken, und die Angeklagte war mit dem Vater verheiratet.«
    »Ach so. Ein Freispruch, das Urteil kann ich ohne Aktenzeichen heraussuchen.«
    »Nicht nötig. Sie wurde also freigesprochen?«
    »Ja.«
    »Vielen Dank.«
    Sie legte das Telefon auf die Bank und öffnete noch einmal den Kühlschrank, ohne zu wissen, warum, schloss ihn wieder und begegnete Axels Blick auf dem Foto, das mit einem seiner Salzteigmagneten an der Kühlschranktür befestigt war. Sie erinnerte sich, dass er gesagt hatte, er solle einen Dinosaurier darstellen, und dann tat er das wohl.
    Blaue, unschuldige Augen, die alles glaubten, was sie sahen.
    Überzeugt davon, dass alle Menschen gut waren, im ungebrochenen Vertrauen, dass sie meinten, was sie sagten. Wie seine

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