Der seltsame Mr Quin
Frau hatte ihn hinausgeekelt. Er ging um sieben von seiner Hütte zu den Gewächshäusern und kehrte um zwanzig vor acht wieder zurück. Die Dienstboten im Haus hörten etwa um Viertel nach sieben die Haustür gehen. Das zeigt, wann Captain Harwell das Haus verließ. Ja, ich weiß, was Sie jetzt denken.«
»Tatsächlich? Das wundert mich«, antwortete Mr Quin.
»Ich glaube schon. Mathias hatte genügend Zeit, um seinen Herrn umzubringen. Aber warum, Mann, warum? Und wo hätte er die Leiche versteckt?«
»Tut mir leid, dass ich Sie so lange habe warten lassen, Gentlemen.«
Der Geruch der Speisen stieg Mr Sattersway verlockend in die Nase. Er war in bester Laune. »Das sieht fabelhaft aus! Ganz ausgezeichnet! Wir haben von Captain Harwells Verschwinden gesprochen. Was wurde eigentlich aus dem Gärtner Mathias?«
»Er bekam eine Stelle in Essex, soviel ich weiß. Er wollte nicht mehr in der Gegend bleiben. Einige Leute haben ihn scheel angesehen, wissen Sie. Aber ich habe nie geglaubt, dass er etwas damit zu tun hatte.«
Mr Sattersway bediente sich zuerst. Mr Quin folgte. Der Wirt schien zu einem Schwätzchen aufgelegt zu sein. Mr Sattersway war nicht abgeneigt, im Gegenteil. »Was für ein Kerl war dieser Mathias?«
»Ein Mann in mittleren Jahren, wahrscheinlich früher sehr kräftig, aber schon vom Rheuma geplagt. Er war sehr schlecht dran, konnte manchmal gar nicht mehr aufstehen und seiner Arbeit nachgehen. Ich glaube, Miss Eleanor hat ihn aus reiner Freundlichkeit behalten. Als Gärtner war er längst nicht mehr tauglich, wenn auch seine Frau sich im Hause nützlich machen konnte. Sie war früher Köchin und immer bereit, mit Hand anzulegen.«
»Was für eine Frau war sie?«, warf Mr Sattersway schnell ein.
Die Antwort des Gastwirts fiel enttäuschend aus. »Eine einfache Person. Um die vierzig, ziemlich mürrisch. Und taub. Ich kannte sie nicht näher. Sie waren ja erst einen Monat hier, wissen Sie, als das Unglück geschah. Man sagte, er sei früher ein besonders guter Gärtner gewesen. Miss Eleanor besaß hervorragende Zeugnisse von ihm.«
»Interessierte sie sich für den Garten?«, fragte Mr Quin leise.
»Nein, Sir, das könnte man nicht behaupten. Jedenfalls nicht wie einige Damen in der Umgebung, die ihre Gärtner gut bezahlen und trotzdem den ganzen Tag im Garten auf den Knien herumrutschen. Ganz schön verrückt, meine ich. Wissen Sie, Miss Le Couteau war nicht sehr oft hier, außer im Winter zur Jagdzeit. Meist war sie in London und in diesen ausländischen Badeorten, wo angeblich die französischen Damen nur die Zehenspitzen ins Wasser tauchen aus Angst, ihre Kleider zu ruinieren. Jedenfalls habe ich das gehört.«
Mr Sattersway lächelte. »Hatte keine – eh – andere Frau die Hand im Spiel?«, fragte er. Obwohl seine frühere Theorie widerlegt war, gab er sie nicht gerne auf.
Mr William Jones schüttelte den Kopf. »Gar nichts in dieser Art. Nicht der kleinste Hinweis. Ja, es ist eine sehr tragische Geschichte, das ist sicher.«
»Und zu welcher Theorie neigen Sie selbst?«, fragte Mr Sattersway.
»Was ich davon halte?«
»Ja.«
»Ich weiß es nicht. Ich glaube, dass er ermordet wurde, aber durch wen – das kann ich nicht sagen. Jetzt hole ich den Käse.«
Er nahm die leeren Teller und ging hinaus. Das Gewitter, das bereits weitergewandert zu sein schien, brach plötzlich wieder heftig los. Ein greller Blitz, auf den sofort ein lauter Donner folgte, ließ den kleinen Mr Sattersway zusammenfahren. Bevor das letzte Grollen verhallt war, brachte ein Mädchen den versprochenen Käse.
Sie war groß und dunkel und auf eine trotzige Art hübsch. Ihre Ähnlichkeit mit dem Wirt verriet, dass sie seine Tochter sein musste.
»Guten Abend, Mary«, begrüßte sie Mr Quin. »Das ist eine stürmische Nacht.«
Sie nickte. »Ich hasse Gewitter«, murmelte sie.
»Haben Sie etwa Angst vor dem Donner?«, erkundigte sich Mr Sattersway freundlich.
»Angst vor dem Donner? Bestimmt nicht! Ich habe selten Angst. Aber bei einem Gewitter ist es jedes Mal das Gleiche. Dann wird geredet und geredet, immer wieder über dasselbe, wie Papageien. Vater macht den Anfang: ›Ich erinnere mich ganz genau, in einer Nacht wie dieser kam Captain Harwell nachhause…‹, und so weiter. Endlos!« Sie wandte sich Mr Quin zu. »Sie haben ja gehört, wie er loslegt. Was soll’s? Kann man die Vergangenheit nicht endlich ruhen lassen?«
»Eine Sache wird erst Vergangenheit, wenn sie erledigt ist«, meinte Mr
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