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Der seltsame Mr Quin

Der seltsame Mr Quin

Titel: Der seltsame Mr Quin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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um sich noch zu ändern.
    In diesem Augenblick bemerkte er, dass Gräfin Zarnowa sich ihm näherte.
    Seit Jahren hatte Mr Sattersway die Gräfin während der Saison in Monte Carlo angetroffen. Zum ersten Mal hatte er sie gesehen, als sie sich in der Begleitung eines Großherzogs befand. Das nächste Mal war sie mit einem österreichischen Baron zusammen gewesen. In den folgenden Jahren war sie viel mit sehr jungen Männern, fast Knaben, zusammen gesehen worden.
    Auch jetzt war sie von einem sehr jungen Mann begleitet. Zufällig kannte Mr Sattersway ihn, und das bedauerte er. Franklin Rudge war ein junger Amerikaner, das typische Produkt eines mittelwestlichen Staates, sehr darauf bedacht, Eindruck zu machen, ungehobelt, jedoch liebenswert, und überhaupt eine seltsame Mischung aus Gerissenheit und Idealismus. Er war mit einer Gruppe von Amerikanern beiderlei Geschlechts nach Monte Carlo gekommen, die alle demselben Typ angehörten. Es war ihre erste flüchtige Bekanntschaft mit der Alten Welt, und sowohl mit Kritik als auch mit Anerkennung waren sie sehr freimütig.
    Alles in allem hatten sie eine Abneigung gegen die Engländer in den Hotels, und die Engländer hatten eine Abneigung gegen sie. Mr Sattersway, der sich zugutehielt, ein Kosmopolit zu sein, mochte sie allerdings. Ihre Direktheit und ihre Energie sagten ihm zu, obgleich ihre gelegentlichen sprachlichen Schnitzer ihm einen Schauer über den Rücken jagten.
    Jedenfalls war er der Meinung, dass Gräfin Zarnowa für den jungen Franklin Rudge eine höchst ungeeignete Freundin sei. Höflich nahm er den Hut ab, als sie vorbeigingen, und die Gräfin schenkte ihm ein charmantes Kopfnicken und ein Lächeln.
    Sie war eine sehr große Frau und geschickt zurechtgemacht. Ihr Haar war tiefschwarz, wie übrigens auch ihre Augen, und Augenwimpern wie Augenbrauen waren noch schwärzer, als die Natur es jemals zu Stande gebracht hätte.
    Mr Sattersway, der sich in den weiblichen Geheimnissen genauer auskannte, als es für einen Mann gut war, konnte nicht umhin, jene Kunst zu bewundern, mit der sie zurechtgemacht war. Ihr Teint wirkte makellos und war von einem cremefarbenen Weiß. Die leicht angedeuteten Schatten unter den Augen waren sehr wirkungsvoll. Ihre Lippen waren weder karmesinrot noch purpurrot, sondern von einem gedämpften Weinrot. Gekleidet war sie in eine sehr gewagte Kreation aus Schwarz und Weiß, und ihr Sonnenschirm hatte einen rötlichen Ton, der für ihr Gesicht ausgesprochen vorteilhaft war.
    Franklin Rudge machte einen glücklichen und gewichtigen Eindruck.
    So ein Dummkopf, überlegte Mr Sattersway. Aber es geht mich nichts an, und außerdem würde er doch nicht auf mich hören. Na ja, ich habe meine Erfahrungen auch selbst sammeln müssen.
    Trotzdem machte er sich nicht geringe Gedanken, weil zu der Gruppe auch eine sehr attraktive kleine Amerikanerin gehörte, und er war überzeugt, dass sie Franklin Rudges Freundschaft mit der Gräfin nicht gern sah.
    Er war gerade im Begriff, seine Schritte in die entgegengesetzte Richtung zu lenken, als das eben erwähnte Mädchen ihm auf einem der Wege entgegenkam. Sie trug ein gutgeschnittenes Kostüm mit einer weißen Bluse, vernünftige Straßenschuhe, und in der Hand hielt sie einen Reiseführer. Es gibt Amerikanerinnen, die durch Paris kommen und sich anziehen, als wären sie die Königin von Saba, aber zu ihnen gehörte Elizabeth Martin nicht. Sie absolvierte Europa mit ernster und bewusster Entschlossenheit, besaß hohe Vorstellungen von Kultur und Kunst und war sehr darauf bedacht, für ihren begrenzten Geldvorrat möglichst viel zu erleben.
    Es ist zweifelhaft, ob Mr Sattersway den kulturellen oder den künstlerischen Aspekt bei ihr sah, wenn er an sie dachte. Ihm kam sie lediglich sehr jung vor.
    »Guten Morgen, Mr Sattersway«, sagte Miss Martin. »Haben Sie Franklin – Mr Rudge – irgendwo gesehen?«
    »Vor wenigen Minuten.«
    »Wahrscheinlich schon wieder mit seiner Freundin, der Gräfin«, sagte das Mädchen empört.
    »Ah – mit der Gräfin, ja«, gab Mr Sattersway zu.
    »Seine Gräfin kann mir gestohlen bleiben«, sagte das Mädchen mit heller Stimme. »Franklin ist ganz verrückt nach ihr. Warum? Das begreife ich nicht!«
    »Sie hat eine sehr charmante Art, glaube ich«, sagte Mr Sattersway vorsichtig.
    »Kennen Sie sie?«
    »Flüchtig.«
    »Um Franklin mache ich mir richtige Sorgen«, sagte Miss Martin. »Im Allgemeinen ist der Junge sonst vernünftig. Man kann sich gar nicht vorstellen, dass

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