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Der seltsame Mr Quin

Der seltsame Mr Quin

Titel: Der seltsame Mr Quin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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er auf so eine Sirene hereinfällt. Und er lässt sich auch gar nichts sagen. Wenn man mit ihm reden will, wird er wild wie eine Hornisse. Sagen Sie, ist sie wirklich eine Gräfin?«
    »Möglich ist es.«
    »Das ist wieder diese typisch englische Art«, rief Miss Martin mit allen Anzeichen des Missvergnügens. »Aber eines weiß ich genau: In Sargon Springs – das ist unsere Heimatstadt, Mr Sattersway – würde diese Gräfin verdammt komisch aussehen.«
    Das hielt Mr Sattersway für möglich. Er bedachte dabei jedoch, dass sie sich nicht in Sargon Springs, sondern im Fürstentum Monaco befanden, wo die Gräfin zufälligerweise sehr viel besser mit ihrer Umgebung harmonisierte als Miss Martin.
    Er erwiderte trotzdem nichts, und Miss Martin ging weiter in Richtung Casino. Mr Sattersway setzte sich in der Sonne auf einen Stuhl, und wenig später gesellte Franklin Rudge sich zu ihm.
    Rudge war voll Begeisterung.
    »Ich finde es großartig«, verkündete er mit kindlicher Begeisterung. »Jawohl, Sir! Das nenne ich das Leben kennen lernen – ganz anders als bei uns in den Staaten!«
    Der Ältere wandte ihm ein nachdenkliches Gesicht zu. »Das Leben wird überall fast genau gleich gelebt«, sagte er ziemlich unbeteiligt. »Es ist nur anders verkleidet – das ist alles.«
    Franklin Rudge starrte ihn an. »Das verstehe ich nicht.«
    »Nein«, sagte Mr Sattersway, »weil Sie bis dahin noch ein ganzes Stück vor sich haben. Aber entschuldigen Sie bitte. Wenn man älter ist, soll man es sich nicht angewöhnen, Predigten zu halten.«
    »Das macht nichts!« Rudge lachte und entblößte dabei das prachtvolle Gebiss, das für seine Landsleute typisch ist. »Wissen Sie – eines muss ich sagen: Das Casino hat mich enttäuscht. Ich dachte immer, wenn man spielt… es wäre ganz anders, viel hektischer. Ich finde es ziemlich langweilig und vulgär.«
    »Für den Spieler bedeutet es Leben und Tod, wenn es auch sonst keinen auffällig großen Wert besitzt«, sagte Mr Sattersway.
    »Darüber zu lesen ist viel aufregender, als ihm zuzusehen.«
    Der junge Mann nickte.
    »Sie sind übrigens gesellschaftlich ein ziemlich großes Tier, nicht?«, fragte er, und seine schüchterne Aufrichtigkeit war schuld, dass man diese Frage nicht übel nehmen konnte.
    »Ich meine, Sie kennen alle Herzoginnen und Gräfinnen und so weiter.«
    »Eine ganze Menge kenne ich«, sagte Mr Sattersway. »Und außerdem noch viele Juden und Portugiesen und Griechen und Argentinier.«
    »Wieso?«, sagte Mr Rudge.
    »Ich wollte damit nur sagen«, erklärte Mr Sattersway, »dass ich in der englischen Gesellschaft zuhause bin.«
    Franklin Rudge überlegte einen Augenblick.
    »Sie kennen doch Gräfin Zarnowa, nicht?«, sagte er schließlich.
    »Flüchtig«, erwiderte Mr Sattersway und gab ihm dieselbe Antwort, die er schon Miss Martin gegeben hatte.
    »Das ist wirklich eine interessante Frau. Meistens glaubt man, die Aristokratie Europas hat abgewirtschaftet und ist am Ende. Für die Männer mag das stimmen – aber für die Frauen gilt es bestimmt nicht. Ist es nicht großartig, ein so hinreißendes Wesen wie die Gräfin kennen zu lernen? Witzig, charmant, intelligent, dazu eine Kultur, die Generationen aufgebaut haben, und außerdem eine Aristokratin bis in die Fingerspitzen.«
    »Ist sie das?«, fragte Mr Sattersway.
    »Ja – ist sie das denn nicht? Kennen Sie ihre Familie?«
    »Nein«, sagte Mr Sattersway. »Ich fürchte, ich weiß von ihr nur sehr wenig.«
    »Sie ist eine geborene Radcynski«, erklärte Franklin Rudge. »Das ist eine der ältesten ungarischen Familien. Und sie hat ein ungewöhnliches Leben geführt. Haben Sie ihre lange Perlenkette gesehen?«
    Mr Sattersway nickte.
    »Die hat ihr der König von Bosnien geschenkt. Sie hat für ihn ein paar geheime Papiere aus dem Königreich geschmuggelt.«
    »Ich habe schon gehört«, sagte Mr Sattersway, »dass der König von Bosnien ihr diese Perlenkette geschenkt hätte.«
    Dies war tatsächlich ein Thema, über das viel gesprochen wurde, zumal es hieß, die Dame habe seinerzeit Seiner Majestät sehr nahe gestanden.
    »Ich will Ihnen noch mehr erzählen.«
    Mr Sattersway lauschte, und je länger er lauschte, desto mehr bewunderte er die blühende Fantasie der Gräfin. Nichts von vulgärer Sirene, wie Elizabeth Martin sich ausgedruckt hatte. Dazu war der junge Mann viel zu schlau, sauber und idealistisch. Nein: Die Gräfin bewegte sich vielmehr in einem Labyrinth diplomatischer Intrigen. Sie hatte Feinde,

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