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Der seltsame Mr Quin

Der seltsame Mr Quin

Titel: Der seltsame Mr Quin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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Pflanze, die man vergessen hatte zu gießen. Mr Sattersway war sehr besorgt um sie.
    »Ich habe gesiegt«, murmelte sie, während sie sich mit halbgeschlossenen Augen im Sitz zurücklehnte.
    »Wieso?«, fragte er aufgeregt. »Was haben Sie getan? Was haben Sie gesagt?«
    Sie richtete sich etwas auf.
    »Ich erzählte ihm, dass Louisa Bullard mit ihrer Geschichte zur Polizei gegangen sei. Dass die Polizei Nachforschungen angestellt und jemand ihn gesehen habe, wie er zu seinem Haus ging und es wieder verließ, ein paar Minuten nach halb sieben. Ich erklärte ihm, dass er verspielt habe. Er brach zusammen. Ich sagte, es sei für ihn immer noch Zeit zu verschwinden, dass die Polizei erst in etwa einer Stunde erscheinen würde, um ihn zu verhaften. Wenn er ein Geständnis unterschriebe, würde ich nichts gegen ihn unternehmen. Andernfalls würde ich das ganze Haus zusammenschreien und allen Leuten die Wahrheit erzählen. Er geriet in eine derartige Panik, dass er gar nicht mehr wusste, was er tat. Er unterschrieb, ohne sich über die Folgen klar zu sein.«
    Sie drückte ihm den Bogen in die Hand. »Nehmen Sie es! Nehmen Sie es! Sie wissen, was Sie tun müssen, damit Martin freikommt!«
    »Er hat tatsächlich unterschrieben!«, rief Mr Sattersway verblüfft.
    »Er ist ein wenig dumm, wissen Sie«, sagte Sylvia Dale. »Genau wie ich«, fügte sie einsichtig hinzu. »Deshalb weiß ich auch, wie dumm sich die Leute benehmen können. Wir geraten außer uns, dann tun wir etwas Falsches, und hinterher bedauern wir es.«
    Sie erschauerte, und Mr Sattersway tätschelte ihr die Hand.
    »Sie brauchen etwas Kräftigendes«, sagte er. »Kommen Sie, wir sind ganz in der Nähe eines reizenden Lokals, in das ich besonders gern gehe: Es ist das Arlecchino. Sind Sie schon einmal dort gewesen?«
    Sie schüttelte den Kopf.
    Mr Sattersway ließ das Taxi halten und führte sie in das kleine Restaurant. Er ging mit ihr zu dem Tisch in der Nische, und sein Herz schlug freudig erregt. Doch der Tisch war leer.
    Sylvia Dale sah an seinem Gesicht, wie enttäuscht er war. »Was ist denn?«, fragte sie.
    »Nichts«, antwortete Mr Sattersway. »Das heißt, ich hatte halb erwartet, hier einen Freund zu treffen. Aber es macht nichts. Irgendwann sehe ich ihn wieder. Da bin ich ganz sicher.«

Die Seele des Croupiers
     
    M r Sattersway war in Monte Carlo und genoss den Sonnenschein. Alljährlich verließ er am zweiten Sonntag des Januar England und fuhr an die Riviera. Er war pünktlicher als jede Schwalbe. Im April kehrte er nach England zurück, verbrachte Mai und Juni in London und hatte noch nicht ein einziges Mal Ascot verpasst. Nach dem Spiel zwischen Eton und Harrow verließ er London wieder und machte auf dem Land ein paar Besuche, ehe er nach Deauville oder Le Touquet abreiste. Jagdeinladungen füllten den größten Teil des September und Oktober aus, und gewöhnlich verbrachte er dann einige Monate in London, um das Jahr abzurunden. Er kannte jeden, und man konnte mit Bestimmtheit sagen, dass jeder ihn kannte.
    An diesem Vormittag hatte er die Stirn gefurcht. Das Blau des Meeres war bewundernswert, die Gärten waren, wie immer, eine Lust, aber die Menschen enttäuschten ihn – in seinen Augen waren sie eine schlecht gekleidete, protzige Menge. Natürlich befanden sich ein paar Spieler darunter, verdammte Seelen, die es unabwendbar hierher zog. Sie duldete Mr Sattersway. Sie waren eine notwendige Kulisse. Vermissen tat er jedoch den üblichen Sauerteig der Elite – seine eigenen Leute. »Das kommt von der Veränderung«, sagte Mr Sattersway düster. »Heutzutage kommen alle möglichen Leute hierher, die sich früher so etwas nicht leisten konnten. Und außerdem werde ich natürlich langsam alt… Die vielen jungen Leute – die kommenden Leute – fahren neuerdings in diese Schweizer Orte.«
    Es gab jedoch noch andere, die er vermisste: die gut gekleideten Barone und Grafen aus der Diplomatie, die Großherzöge 1 und die königlichen Prinzen. Der einzige königliche Prinz, den er bisher entdeckt hatte, bediente in einem weniger bekannten Hotel den Aufzug. Ferner vermisste er die bezaubernden und kostspieligen Damen. Ein paar gab es zwar immer noch, aber doch nicht annähernd so viele wie einstmals.
    Mr Sattersway war ein ernsthafter Beobachter jenes Dramas, das »Leben« genannt wird; am liebsten war es ihm jedoch, wenn es wirklich farbenprächtig war. Er spürte, wie Entmutigung ihn überkam. Die Werte änderten sich – und er, er war zu alt,

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