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Der seltsame Mr Quin

Der seltsame Mr Quin

Titel: Der seltsame Mr Quin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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Was für seltsame und unerforschliche Wege des Schicksals.
    Mr Sattersway kam in den Sinn, dass der Abend mit Mr Quin nicht so anregend wie sonst verlaufen war, weil Gillian Wests Schönheit ihr Hauptgesprächsthema gewesen war. Gewöhnlich hatte eine Begegnung mit dem geheimnisvollen Mann immer ein seltsames, unerwartetes Ereignis zur Folge. In der Hoffnung, den geheimnisvollen Freund zu treffen, lenkte Mr Sattersway seine Schritte zum Restaurant Arle c chino, wo er Mr Quin schon einmal gefunden hatte. Mr Quin war dort Stammgast.
    Mr Sattersway wanderte durch die Räume des Restaurants und hielt hoffnungsvoll nach ihm Ausschau, konnte aber das dunkle lächelnde Gesicht nirgends entdecken. Dafür entdeckte er jemand anders. An einem kleinen Tisch für sich allein saß Philip Eastney.
    Das Restaurant war ziemlich voll, und so nahm Mr Sattersway dem jungen Mann gegenüber Platz. Plötzlich stieg in ihm ein Gefühl der Vorfreude auf, als sei er in ein Gewebe von aufregenden Ereignissen verstrickt. Er steckte mitten drin – was immer es auch war. Jetzt wusste er, was Mr Quin an jenem Abend in der Oper gemeint hatte. Irgendein Drama spielte sich ab, und Mr Sattersway spielte eine Rolle dabei, eine wichtige Rolle. Er durfte sein Stichwort nicht versäumen.
    Er saß Philip Eastney mit dem Gefühl gegenüber, dass er das Rad des Schicksals nicht aufhalten konnte. Es war sehr leicht, ein Gespräch zu beginnen. Eastney schien sich gern zu unterhalten. Wie immer war Mr Sattersway ein guter Zuhörer. Sie sprachen vom Krieg, von Waffen und Giftgasen. Eastney wusste über Letztere sehr genau Bescheid, da er im Krieg in einer Gasfabrik gearbeitet hatte. Mr Sattersway fand das Thema sehr fesselnd, und sie unterhielten sich eine Weile darüber.
    Es existiere auch ein Gas, erzählte Eastney, das nie ausprobiert worden sei. Schon ein Hauch sei tödlich. Er wurde richtig lebhaft. Nachdem Mr Sattersway das Eis gebrochen hatte, lenkte er das Gespräch vorsichtig auf die Musik. Eastneys schmales Gesicht erhellte sich. Er redete mit der Begeisterung und dem Eifer des wahren Musikfreundes. Als das Thema auf Joaschbim kam, war der junge Mann kaum zu bremsen. Er und Mr Sattersway stimmten darin überein, dass nichts auf Erden über eine wirklich schöne Tenorstimme gehe.
    »Wissen Sie eigentlich, dass Caruso ein Weinglas zersingen konnte?«, fragte Eastney.
    »Ich dachte, das sei eine Fabel«, antwortete Mr Sattersway.
    »Nein, es soll wirklich wahr sein. So etwas ist durchaus möglich. Es ist eine Frage der Resonanz.«
    Er vertiefte sich in die technischen Details. Sein Gesicht war gerötet, die Augen glänzten. Das Thema schien ihn zu faszinieren, und Mr Sattersway stellte fest, dass er gründliche Kenntnisse darüber besaß. Ein außergewöhnlicher Kopf, dachte Mr Sattersway, man könnte ihn beinahe als genial bezeichnen. Brillant, ungezügelt, unentschlossen, wohin er sich am Ende wenden sollte, aber zweifellos genial.
    »Ich sollte mich schämen, dass ich soviel geredet habe«, sagte er, »aber es war wirklich ein glücklicher Zufall, der Sie heute Abend hierher führte. Ich… ich brauchte jemanden, mit dem ich mich unterhalten konnte.«
    Er beendete seine Worte mit einem seltsamen kleinen Lachen.
    Seine Augen blitzten immer noch vor unterdrückter Erregung. Trotzdem lag etwas Tragisches über ihm.
    »Es war mir ein Vergnügen«, sagte Mr Sattersway. »Unsere Unterhaltung war sehr fesselnd und höchst aufschlussreich.«
    Dann verbeugte er sich auf seine komische höfliche Art und verließ das Restaurant. Die Nacht war warm, und während er langsam die Straße entlangging, überkam ihn ein höchst seltsames Gefühl. Plötzlich bildete er sich ein, nicht mehr allein zu sein – dass jemand neben ihm ging. Vergebens versuchte er sich klarzumachen, dass es Einbildung sei. Die Vorstellung blieb. Jemand schritt neben ihm die dunkle stille Straße entlang, jemand, den er nicht sehen konnte. Er fragte sich, warum er an Mr Quin denken musste. Sein Bild stand deutlich vor seinem inneren Auge. Er konnte spüren, dass Mr Quin neben ihm war, und doch brauchte er nur seine Augen zu benützen, um festzustellen, dass es nicht stimmte und er allein war.
    Aber der Gedanke an Mr Quin ließ ihn nicht los, und noch etwas anderes beschäftigte ihn, er spürte eine Unruhe, eine bedrückende Vorahnung kommenden Unheils. Er musste etwas unternehmen, und zwar rasch. Aber was? Irgendetwas stimmte nicht, und es lag an ihm, die Sache in Ordnung zu bringen.
    Das

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