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Der seltsame Mr Quin

Der seltsame Mr Quin

Titel: Der seltsame Mr Quin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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Bristows Arbeiten? Hübsch – sehr hübsch sogar. In seiner Art ganz einmalig.«
    Mr Sattersway erwarb einen Katalog und trat durch den Rundbogen in den langen Raum, wo die Arbeiten des Künstlers ausgestellt waren. Es waren Aquarelle von ungewöhnlicher Technik und Vollendung, sodass sie beinahe kolorierten Radierungen ähnelten. Mr Sattersway wanderte langsam an den Wänden entlang, betrachtete die Bilder prüfend und war insgesamt sehr angetan. Natürlich befanden sich auch unausgereifte Arbeiten darunter. Das war zu erwarten gewesen. Aber einiges grenzte doch beinahe an Genialität. Vor einem kleinen Meisterwerk, das die Westminster Bridge mit ihrem Gewimmel von Autobussen, Straßenbahnen und eiligen Fußgängern zeigte, blieb Mr Sattersway stehen: eine winzige Arbeit und auf wunderbare Weise vollkommen. Wie er feststellte, hieß das Bild Der Ameisenha u fen. Er ging weiter. Plötzlich hielt er den Atem an, sein Interesse war aufs Höchste gefesselt.
    Das Bild hieß Der tote Harlekin. Im Vordergrund zeigte es einen Marmorfußboden, der aus eingelegten schwarzen und weißen Quadraten bestand. In der Mitte des Fußbodens lag ein Harlekin auf dem Rücken, die Arme ausgebreitet und in ein schwarzrotes Narrengewand gehüllt. Hinter ihm befand sich ein Fenster, und durch dieses Fenster blickte jemand auf die am Boden liegende Gestalt; allem Anschein nach war es derselbe Mann. Seine Silhouette hob sich vom roten Schein der untergehenden Sonne ab.
    Dieses Bild erregte Mr Sattersway aus zwei Gründen: Einmal erkannte er das Gesicht des Mannes, der hier abgebildet war, zumindest glaubte er, es zu erkennen. Es hatte eine unverkennbare Ähnlichkeit mit Mr Quin, jenem Freund, dem Mr Sattersway immer unter etwas mysteriösen Umständen begegnet war.
    »Ich kann mich unmöglich irren«, murmelte er. »Aber wenn es stimmt – was hat es zu bedeuten?«
    Denn Mr Sattersways Erfahrung hatte gezeigt, dass Mr Quins Erscheinen immer etwas zu bedeuten hatte.
    Mr Sattersways Interesse hatte jedoch, wie bereits erwähnt, noch einen zweiten Grund. Er erkannte den Schauplatz des Bildes wieder.
    »Das Terrassenzimmer von Charnley«, sagte er. »Merkwürdig – und höchst interessant.«
    Mit wachsender Aufmerksamkeit betrachtete er das Bild und überlegte, was sich der Künstler wohl dabei gedacht hatte. Der eine Harlekin tot auf dem Fußboden, ein zweiter Harlekin blickt durch das Fenster – oder war es derselbe Harlekin? Langsam ging er weiter an den Wänden entlang, schaute immer neue Bilder an, ohne sie eigentlich zu sehen, und immer kreisten seine Gedanken um dasselbe Thema. Er war erregt. Das Leben, das heute Morgen noch eintönig gewesen zu sein schien, war keineswegs mehr eintönig. Ganz genau wusste er, dass er auf der Schwelle zu erregenden und interessanten Ereignissen stand. Er ging zu dem Tisch hinüber, an dem Mr Cobb saß. Mr Cobb gehörte zu den angesehenen Mitgliedern der Galerie, und Mr Sattersway kannte ihn schon seit Jahren. »Ich würde gern die Nummer neununddreißig kaufen«, sagte er, »wenn sie nicht bereits verkauft ist.«
    Mr Cobb blätterte in einem Verzeichnis.
    »Das Beste von allen«, murmelte er, »eine wahre Kostbarkeit – finden Sie nicht auch? Nein, es ist noch nicht verkauft.« Er nannte einen Preis. »Eine gute Geldanlage, Mr Sattersway. In einem Jahr müssen Sie bestimmt das Dreifache dafür bezahlen.«
    »Das heißt es bei solchen Gelegenheiten immer«, sagte Mr Sattersway lächelnd.
    »Na, und habe ich nicht immer Recht behalten?«, fragte Mr Cobb. »Wenn Sie Ihre Sammlung verkauften, Mr Sattersway, glaube ich nicht, dass auch nur eines Ihrer Bilder weniger einbringen würde, als Sie seinerzeit dafür bezahlten.«
    »Dann kaufe ich also dieses Bild«, sagte Mr Sattersway. »Hier haben Sie einen Scheck.«
    »Sie werden es sicher nicht bereuen. Wir glauben an Bristow.«
    »Ist er noch jung?«
    »Sieben- oder achtundzwanzig.«
    »Ich würde ihn gern kennen lernen«, sagte Mr Sattersway. »Vielleicht ist er bereit, einmal mit mir zu Abend zu essen?«
    »Ich kann Ihnen seine Adresse geben. Und ich bin überzeugt, dass er mit Freuden zusagen wird. In der Welt der Künstler gilt Ihr Name eine ganze Menge.«
    »Sie schmeicheln mir«, sagte Mr Sattersway und wollte gerade weitergehen, als Mr Cobb ihn zurückhielt.
    »Da drüben ist er! Ich werde Sie gleich mit ihm bekannt machen.«
    Er verließ seinen Platz hinter dem Tisch. Mr Sattersway begleitete ihn, bis sie vor einem großen, etwas unbeholfen wirkenden

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