Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der seltsame Mr Quin

Der seltsame Mr Quin

Titel: Der seltsame Mr Quin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
Vom Netzwerk:
hatte.
     
    »Hirte, sieh die wehende Mähne deines Pferdes…«
     
    Er kam also noch rechtzeitig. Er riss die Wohnungstür auf. Gillian saß in einem Sessel beim Kamin.
     
    »Barya Mischas Tochter soll heut’ heiraten.
    Zu der Hochzeit muss ich eilen…«
     
    Sie musste ihn für verrückt halten. Er packte sie, schrie irgendetwas Unverständliches und zerrte sie aus dem Raum. Dann standen sie an der Treppe.
     
    »Zu der Hochzeit muss ich eilen !
    Ja-ha!«
     
    Ein herrlicher strahlender Ton, mächtig, voll, ein Ton, auf den der Sänger stolz sein konnte. Und noch ein anderer Laut, das schwache Klirren von zerspringendem Glas.
    Eine Katze schoss an ihnen vorbei und verschwand durch die Eingangstür. Gillian machte eine Bewegung, doch Mr Sattersway hielt sie zurück und stammelte dabei:
    »Nein, nein… es ist tödlich. Kein Geruch, der Sie warnen könnte… Ein Hauch, und alles ist vorbei. Kein Mensch weiß genau, wie gefährlich es ist. Es wurde nie ausprobiert…«
    Er berichtete, was Philip Eastney ihm beim Abendessen über dieses Gift erzählt hatte.
    Gillian starrte ihn verständnislos an.
     
    Philip Eastney warf einen Blick auf seine Taschenuhr. Es war genau halb zwölf. In der letzten drei viertel Stunde war er am Themseufer auf und ab gewandert. Er starrte über das Wasser und wandte sich um – vor ihm stand der Mann, mit dem er zu Abend gegessen hatte.
    »Was für ein Zufall«, sagte er und lachte. »Es scheint heute Abend unser Schicksal zu sein, dass wir uns immer wieder begegnen.«
    »Wenn Sie so etwas Schicksal nennen wollen«, antwortete Mr Sattersway.
    Eastney blickte ihn forschend an, und seine Miene veränderte sich.
    »Ja?«, sagte er ruhig.
    Mr Sattersway kam sofort zur Sache. »Ich war gerade in Miss Wests Wohnung.«
    »Ja?«
    Der gleiche Tonfall, die gleiche tödliche Gelassenheit.
    »Wir haben… wir haben eine tote Katze gefunden.«
    Es folgte ein langes Schweigen. Dann fragte Eastney: »Wer sind Sie eigentlich?«
    Da wurde Mr Sattersway gesprächig. In aller Ausführlichkeit schilderte er die Ereignisse.
    »Und, wie Sie sehen, erschien ich noch rechtzeitig auf dem Schauplatz«, schloss er. Dann fügte er leise hinzu. »Haben Sie irgendetwas dazu zu sagen?«
    Er erwartete einen Gefühlsausbruch, eine verrückte Rechtfertigung. Doch es kam nichts.
    »Nein«, antwortete Philip Eastney schließlich, drehte sich auf dem Absatz um und ging davon.
    Mr Sattersway blickte ihm nach, bis seine Gestalt von der Dunkelheit verschluckt wurde. Gegen seinen Willen spürte er ein gewisses Mitgefühl mit Eastney, die Bewunderung des Künstlers für einen andern Künstler, des empfindsamen Menschen für einen wahren Liebhaber, des einfachen Mannes für das Genie.
    Mit einem Ruck rief er sich zur Ordnung und begann, in derselben Richtung wie Eastney weiterzugehen. Nebel kam vom Fluss herauf. Nach ein paar Schritten stieß er auf einen Polizisten, der ihn misstrauisch musterte.
    »Haben Sie eben nicht gehört, wie irgendetwas ins Wasser klatschte?«, fragte der Polizist.
    »Nein«, antwortete Mr Sattersway.
    Der Polizist spähte über die dunkle Themse.
    »Sicherlich ein Selbstmörder«, murmelte er betrübt. »Sie tun es immer wieder.«
    »Ich nehme an«, erwiderte Mr Sattersway, »dass die Leute dafür ihre Gründe haben.«
    »Meistens wegen Geld«, sagte der Polizist. »Manchmal auch wegen einer Frau«, fügte er, schon im Weggehen, hinzu. »Es ist ja immer ihre Schuld, aber manche Frauen können unglaubliche Schwierigkeiten verursachen.«
    »Manche ja«, stimmte Mr Sattersway zu.
    Nachdem der Polizist verschwunden war, setzte sich Mr Sattersway auf eine Bank. Während der Nebel immer dichter wurde, dachte er an die schöne Helena und grübelte darüber nach, ob sie wohl auch nur eine nette, durchschnittliche Frau gewesen war, mit einem herrlichen Gesicht, das ihr zum Fluch oder zum Segen geworden war…

Der tote Harlekin
     
    M r Sattersway ging langsam die Bond Street entlang und genoss den Sonnenschein. Er war, wie üblich, sorgfältig und elegant gekleidet, und sein Ziel waren die Harchester Galleries, wo gerade die Bilder eines gewissen Frank Bristow ausgestellt waren, eines neuen und bislang unbekannten Künstlers, der plötzlich in Mode zu kommen schien. Mr Sattersway war ein Förderer der Künste.
    Als Mr Sattersway die Galerie betrat, wurde er sofort mit einem Lächeln erfreuter Zufriedenheit begrüßt.
    »Guten Morgen, Mr Sattersway. Ich habe Sie schon vor einiger Zeit erwartet. Kennen Sie

Weitere Kostenlose Bücher