Der seltsame Mr Quin
»Und meiner Meinung nach«, schloss er, »ist dieser Eastney etwas verrückt. Gillian hätte Schwierigkeiten mit ihm gekriegt, wenn ich nicht aufgetaucht wäre, um mich um sie zu kümmern.«
Sein Lachen klang etwas einfältig, fand Mr Sattersway, und das Mädchen lächelte nicht. Sie sah Mr Sattersway ernst an.
»Phil ist in Ordnung«, sagte sie langsam. »Er mag mich, das weiß ich, und ich mag ihn auch, wie einen Freund… aber… aber nicht mehr! Ich habe keine Ahnung, wie er die Neuigkeit aufnehmen wird. Er… ich fürchte, er wird…«
Sie schwieg, weil ein Gefühl von drohendem Unheil, das sie nicht näher erklären konnte, ihr den Mund schloss.
»Wenn ich Ihnen irgendwie helfen kann«, sagte Mr Sattersway herzlich. »Bitte, verfügen Sie über mich.«
Ihm schien, dass Charlie Burns etwas verächtlich das Gesicht verzog, doch Gillian sagte spontan: »Herzlichen Dank, Mr Sattersway.«
Mr Sattersway verließ seine neuen Freunde, nachdem er Gillian versprochen hatte, am nächsten Donnerstag bei ihr Tee zu trinken.
Am Donnerstag war Mr Sattersway aufgeregt und von angenehmer Vorfreude erfüllt. Ich bin zwar ein alter Mann, dachte er, aber nicht so alt, dass mich nicht ein schönes Gesicht begeistern könnte. Ein Gesicht… Dann schüttelte er ahnungsvoll den Kopf.
Gillian war allein. Charlie Burns wollte später nachkommen. Sie wirkte viel glücklicher, stellte Mr Sattersway fest, als sei ihr ein Stein von der Seele genommen. Sie gab dies auch sofort offen zu.
»Ich hatte Angst, Phil von Charlie zu erzählen. Es war sehr dumm von mir. Ich hätte Phil besser kennen müssen. Natürlich regte es ihn auf, aber er hätte es nicht netter aufnehmen können. Er war richtig süß. Sehen Sie, was er mir heute Vormittag geschickt hat: ein Hochzeitsgeschenk. Ist es nicht großartig?«
Es war tatsächlich für einen jungen Mann in Philip Eastneys Verhältnissen ein großartiges Geschenk: ein Radiogerät neuesten Typs.
»Wir lieben beide die Musik so sehr, verstehen Sie«, erklärte Gillian. »Phil meinte, wenn ich mir ein Konzert im Radio anhöre, würde ich dabei immer auch an ihn denken. Ich glaube, er hat Recht. Denn wir sind so gute Freunde gewesen.«
»Sie können stolz auf ihn sein«, antwortete Mr Sattersway. »Offenbar ist er ein guter Verlierer.«
Gillian nickte. Mr Sattersway stellte fest, dass ihr Tränen in die Augen stiegen.
»Er bat mich nur noch um eine kleine Gefälligkeit. Heute Abend jährt sich der Tag, an dem wir uns kennen lernten. Er bat mich, zuhause zu bleiben und Radio zu hören und nicht mit Charlie auszugehen. Natürlich habe ich es ihm versprochen. Ich war sehr gerührt und sagte, ich würde mit großer Zuneigung und Dankbarkeit an ihn denken.«
Mr Sattersway nickte. Er war etwas verblüfft. Es passierte ihm selten, dass er sich in der Einschätzung eines Menschen täuschte, und er hätte Philip Eastney einer derart sentimentalen Bitte nicht für fähig gehalten. Der junge Mann musste noch banaler sein, als er angenommen hatte. Offensichtlich fand Gillian nichts dabei. Mr Sattersway war ein wenig – ein ganz klein wenig – enttäuscht. Er war selbst ein gefühlvoller Mensch und wusste es, doch vom Rest der Welt erwartete er Besseres. Außerdem passten Gefühle zu Menschen seiner Generation. Doch in der modernen Zeit spielten sie keine Rolle mehr.
Er bat Gillian zu singen, und sie willigte ein. Er machte ihr ein Kompliment über ihre Stimme, doch er wusste genau, dass sie nur zweitklassig war. Allen Erfolg, den sie in ihrem Beruf haben würde, würde sie ihrem Gesicht zu verdanken haben, nicht ihrer Stimme. Er war nicht besonders scharf darauf, den jungen Burns so bald wiederzusehen. In diesem Augenblick wurde seine Aufmerksamkeit auf einen Gegenstand auf dem Kaminsims gelenkt, der von dem übrigen, ziemlich wertlosen Zeug abstach wie ein Diamant von einem Abfallhaufen.
Es war ein bauchiger Pokal aus dünnem grünem Glas. Auf seinem Rand ruhte eine schillernde Kugel, die wie eine große Seifenblase aussah. Gillian bemerkte Mr Sattersways Begeisterung.
»Das ist noch ein Hochzeitsgeschenk von Phil. Ich finde ihn sehr hübsch. Er arbeitet in einer Art Glasfabrik.«
»Ein wunderschönes Glas«, sagte Mr Sattersway andächtig. »Die Glasbläser von Murano könnten stolz darauf sein.«
Mit neu erwachtem Interesse an Philip Eastney verließ Mr Sattersway die Wohnung. Ein außergewöhnlicher junger Mann. Und trotzdem zog das Mädchen mit dem herrlichen Gesicht Charlie Burns vor.
Weitere Kostenlose Bücher