Der seltsame Mr Quin
in den Kew Gardens gegangen, um die Sternhyazinthen zu betrachten. Vorher hatte Mr Sattersway sich in Gedanken genau überlegt, mit welchen Worten er um ihre Hand anhalten wollte. Er ging seine Rede im Kopf gerade noch einmal durch und antwortete auf ihre begeisterten Rufe über die Sternhyazinthen nur sehr wortkarg, als der Schock kam. Die junge Dame schwieg plötzlich und vertraute Mr Sattersway – ihrem wahren Freund – an, dass sie sich verliebt habe. Mr Sattersway vergaß die kleine vorbereitete Ansprache und kramte hastig in der untersten Schublade seines Gedächtnisses nach den passenden verständnisvollen Worten.
Das war Mr Sattersways ganze Romanze gewesen, eher eine scheue altmodische Liebesepisode, und deshalb dachte er immer mit einer gewissen Wehmut an Kew Ga r dens und pflegte häufig hinzugehen, um die Sternhyazinthen zu betrachten, oder den Rhododendron, wenn er länger als gewöhnlich verreist gewesen war. Dann seufzte er und wurde sentimental und genoss den Ausflug sehr, auf eine altmodische, romantische Weise.
An diesem besonderen Nachmittag schlenderte er gerade am Teehaus vorbei, als er ein junges Paar entdeckte, das an einem der kleinen Tische saß. Es waren Gillian West und der blonde junge Mann. Sie sahen ihn im gleichen Augenblick. Das Mädchen errötete und sprach eifrig auf ihren Begleiter ein. Einen Moment später schüttelte Mr Sattersway ihnen auf seine korrekte, ziemlich energische Art die Hand und nahm die etwas scheu vorgetragene Einladung zum Tee dankend an.
»Ich kann Ihnen gar nicht sagen, Sir«, begann Mr Burns, »wie dankbar ich Ihnen bin, dass Sie sich an jenem Abend so freundlich um Gillian gekümmert haben. Sie hat mir alles erzählt.«
»Ja«, sagte Gillian. »Es war wirklich sehr gütig von Ihnen.«
Mr Sattersway freute sich, denn das Paar interessierte ihn. Die Naivität und Aufrichtigkeit fand er beeindruckend. Außerdem tat er einen Blick in eine Welt, die er nicht gut kannte.
Auf seine vertrocknete zurückhaltende Art konnte Mr Sattersway sehr sympathisch sein. Bald erfuhr er mehr von seinen neuen Freunden. Er stellte fest, dass aus Mr Burns bereits Charlie geworden war, und es erstaunte ihn nicht sehr, als er hörte, dass die beiden verlobt waren.
»Offen gestanden«, sagte Mr Burns mit erfrischender Aufrichtigkeit, »ist es erst heute Nachmittag passiert, nicht wahr, Gil?«
Burns war bei einer Reederei angestellt und verdiente ganz ordentlich. Außerdem besaß er etwas Vermögen, und die beiden wollten bald heiraten.
Mr Sattersway hörte aufmerksam zu, nickte und gratulierte.
Ein durchschnittlicher junger Mann, dachte er. Ein sehr durchschnittlicher junger Mann. Netter, ehrlicher Bursche, vieles spricht für ihn: hat eine gute Meinung von sich, ohne eingebildet zu sein; sieht anständig aus, aber nicht übertrieben. Nichts Außergewöhnliches an ihm dran. Hat das Pulver nicht erfunden. Und das Mädchen liebt ihn.
»Und Mr Eastney?«, fragte er.
Er sagte absichtlich nicht mehr, doch wie er erwartet hatte, tat der Name seine Wirkung. Charlie Burns’ Gesicht verdunkelte sich, und Gillian machte eine besorgte Miene. Eigentlich war sie mehr als besorgt, dachte Mr Sattersway. Offensichtlich fürchtete sie sich.
»Ich habe kein gutes Gefühl«, sagte Gillian leise. Ihre Worte galten Mr Sattersway, als wüsste sie ganz instinktiv, dass er ihre Zweifel verstehen würde, im Gegensatz zu ihrem Verlobten. »Wissen Sie… er hat eine Menge für mich getan. Er hat mich dazu ermutigt, Gesangsunterricht zu nehmen, und… und mir immer wieder geholfen. Dabei wusste ich genau, dass meine Stimme nicht ausreicht, nicht erstklassig ist. Natürlich hatte ich Engagements…« Sie schwieg.
»Aber du hattest auch ganz schöne Schwierigkeiten«, sagte Burns. »Ein Mädchen braucht jemand, der sich um sie kümmert. Gillian hatte eine Menge unerfreulicher Erlebnisse, Mr Sattersway. Alles in allem ziemlich viele. Sie sieht gut aus, wie Sie selbst feststellen können, und das… na ja, da gerät ein Mädchen oft in Schwierigkeiten.«
Mr Sattersway erfuhr von verschiedenen Vorfällen, die Burns vage als »unerfreuliche Erlebnisse« einstufte. Da war der junge Mann gewesen, der sich erschoss; der Bankdirektor – ein verheirateter Mann! –, der sich höchst seltsam benommen hatte; der gewalttätige Fremde und der wütende ältere Künstler. Eine Spur von Gewalttätigkeit und Tragödien hatte sich durch Gillian Wests Leben gezogen, was Charlie Burns in nüchternem Ton bestätigte.
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