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Der seltsame Mr Quin

Der seltsame Mr Quin

Titel: Der seltsame Mr Quin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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ihn die breite Treppe hinauf. Roger Graham bewohnte das dem oberen Treppenabsatz zunächst liegende Zimmer, und gegenüber, auf der anderen Seite des Korridors, lag das Zimmer seiner Mutter. Durch die Tür dieses Zimmers, die angelehnt stand, kräuselte sich ein feiner Rauchfaden.
    Mr Sattersway war einen Augenblick verdutzt. Er hatte Mrs Graham nicht für eine Frau gehalten, die schon so früh am Tag rauchte. Er hatte vielmehr den Eindruck gehabt, dass sie überhaupt nicht rauchte.
    Sie gingen den Flur entlang und blieben vor der vorletzten Tür stehen. David Keeley trat ein, und Mr Sattersway folgte ihm.
    Das Zimmer war nicht sehr groß. Offenbar hatte ein Mann hier übernachtet; männliche Kleidungsstücke lagen herum. Eine Verbindungstür führte in ein zweites Zimmer. Ein Seilende baumelte noch vom Haken an der hohen Tür. Auf dem Bett…
    Mr Sattersway blickte auf den wirren Haufen Chiffon hinab, der mehr denn je an das zerzauste Gefieder eines Vogels erinnerte. Nach einem flüchtigen Blick auf das Gesicht vermied er es, es noch einmal anzusehen.
    Er musterte die Tür mit dem herabhängenden Seilende, durch die sie eingetreten waren. »Stand sie offen?«
    »Ja. Das Zimmermädchen behauptet es wenigstens.«
    »Und Annesley hat im Nebenzimmer geschlafen? Hat er denn nichts gehört?«
    »Nein, nichts, sagt er.«
    »Beinahe unglaublich«, murmelte Mr Sattersway. Er blickte zurück auf die leblose Gestalt auf dem Bett.
    »Wo ist er?«
    »Wer? Annesley? Unten beim Arzt.«
    Sie stiegen ins Erdgeschoss hinunter. Inzwischen war ein Polizeiinspektor eingetroffen, und Mr Sattersway begrüßte ihn angenehm überrascht als einen alten Bekannten, Inspektor Winkfield. Der Inspektor begab sich mit dem Arzt in den oberen Stock und ließ wenig später alle Mitglieder der Hausgesellschaft bitten, sich im Wohnzimmer zu versammeln.
    Die Jalousien waren herabgelassen, und das ganze Zimmer wirkte begräbnishaft. Doris sah verängstigt und bedrückt aus. Ab und zu führte sie ihr Taschentuch an die Augen. Madge hatte sich wieder ganz in der Gewalt und blickte sich wachsam und energisch um. Mrs Graham saß gefasst, wie zu erwarten war, mit ernstem, unbewegtem Gesicht auf einem Stuhl. Ihr Sohn schien von der Tragödie am schwersten betroffen zu sein und wirkte an diesem Morgen völlig aufgelöst. David Keeley hielt sich wie üblich im Hintergrund.
    Der unglückliche Ehemann saß etwas abseits von den anderen mit benommenem Ausdruck da, als hätte er das Geschehen noch nicht erfasst.
    Mr Sattersway unterdrückte seine innere Erregung. Er wirkte äußerlich beherrscht. Nun würde er sich bald einer wichtigen Aufgabe entledigen müssen.
    Inspektor Winkfield war mit Dr. Morris eingetreten, hatte die Tür hinter sich geschlossen und räusperte sich. »Dies ist ein trauriges Ereignis – ein sehr trauriges Ereignis«, begann er. »Unter den gegebenen Umständen muss ich Ihnen einige Fragen stellen und hoffe auf Ihr Verständnis. Ich möchte mit Mr Annesley anfangen.
    Sie werden entschuldigen, Sir, wenn ich Sie frage, aber hat Ihre Gattin je Selbstmordabsichten geäußert?«
    Mr Sattersway öffnete impulsiv den Mund, schloss ihn aber wieder. Er wollte nicht voreilig sein: Was er sagen musste, hatte Zeit.
    »Ich… nein, ich glaube nicht.«
    Annesleys Stimme klang so sonderbar, so unsicher, dass ihn alle verstohlen musterten.
    »Sie wissen es nicht genau, Sir?«
    »Doch, ich bin ganz sicher.«
    »Hm… wussten Sie, dass Ihre Frau – hm – unglücklich war?«
    »Nein… nein, auch das wusste ich nicht.«
    »Sie hat Ihnen also nie gesagt, dass sie, zum Beispiel, deprimiert war?«
    »Ich… nein, nichts.«
    Der Inspektor mochte seine Schlüsse aus Annesleys Antworten ziehen, aber er behielt sie für sich und ging zum nächsten Punkt über. »Würden Sie mir kurz den gestrigen Abend schildern?«
    »Wir… gingen alle nach oben zu Bett. Ich schlief sofort ein und habe nichts gehört. Ich wachte heute Früh vom Schrei des Zimmermädchens auf und lief nach nebenan. Da sah ich, wie meine Frau… wie sie…«
    »Ja, das genügt. Wir brauchen das nicht weiterzuverfolgen: Wann haben Sie gestern Abend Ihre Frau zuletzt gesehen?«
    »Ich… unten.«
    »Unten?«
    »Ja. Wir sind alle zusammen aus dem Wohnzimmer gekommen, und ich bin gleich nach oben gegangen. Die anderen haben sich noch auf dem Flur unterhalten.«
    »Und Sie haben sie danach nicht mehr gesehen? Haben Sie ihr denn nicht Gute Nacht gewünscht, als sie nach oben kam?«
    »Da schlief ich

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