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Der seltsame Mr Quin

Der seltsame Mr Quin

Titel: Der seltsame Mr Quin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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bei Tisch kaum beachtet hatte; offenbar ihr Ehemann.
    »Sie warten schon alle, Mabelle«, sagte er.
    Bei seinem Eintritt war alle Bewegtheit auf ihrem Gesicht erloschen. »Ich komme schon, Gerard«, sagte sie ernüchternd und unbeteiligt. »Ich habe mich noch etwas mit Mr Sattersway unterhalten.«
    Mr Sattersway, der ihr durch die Tür folgte, warf im Vorbeigehen einen schnellen Blick auf den Mann hinter ihm und war betroffen über den hungrigen, gepeinigten Ausdruck auf seinem Gesicht. Armer Kerl, dachte er, den hat sie auch in ihren Bann gezogen, armer Kerl!
    Das Wohnzimmer war hell erleuchtet. Madge und Doris machten ihrer Ungeduld Luft: »Mabelle, du kleines Scheusal – du bist eine Ewigkeit weg gewesen!«
    Sie setzte sich auf einen niedrigen Hocker, stimmte ihr Instrument und begann zu singen. Die anderen fielen ein. Unglaublich, welche Unmenge schwachsinniger Liebeslieder geschrieben worden ist, dachte Mr Sattersway. Aber die rhythmischen, klagenden Melodien waren ergreifend, das musste er zugeben, wenn sie auch an einen schönen alten Walzer nicht entfernt heranreichten.
    Die Luft war bereits rauchgeschwängert, und immer noch tönten die Lieder durchs Zimmer.
    Keine Unterhaltung, dachte Mr Sattersway, keine gute Musik, keine Ruhe. Wenn doch die Menschen heutzutage nicht immer so grässlich laut sein würden!
    Plötzlich brach Mabelle Annesley ab, lächelte ihm über die anderen hinweg zu und stimmte ein Lied von Grieg an:
     
    »Mein Schwan – mein schöner…«
     
    Es war eins seiner Lieblingslieder. Die Note kindlicher Überraschung am Ende gefiel ihm besonders:
     
    »Warst nur ein Schwan denn? Ein Schwan denn?«
     
    Der Abend näherte sich seinem Ende. Madge bot noch Getränke an, während ihr Vater die Ukulele nahm und geistesabwesend über die Saiten strich. Man wünschte sich hier und da gute Nacht und näherte sich unter letzten Gesprächen der Tür; alle redeten durcheinander. Nur Gerard Annesley schlüpfte den anderen voran unauffällig die Treppe hinauf.
    Mr Sattersway wünschte Mr Graham auf dem Gang vor dem Wohnzimmer förmlich eine gute Nacht. Es gab zwei Treppen zum oberen Stock; eine in der Nähe, die andere am Ende des langen Korridors. Die letzte führte zu Mr Sattersways Zimmer hinauf, während Mrs Graham und ihr Sohn die erste Treppe benutzten, die vor ihnen bereits der stille Annesley hinaufgestiegen war.
    »Nimm deine Ukulele lieber mit, Mabelle«, sagte Madge, »sonst vergisst du sie morgen noch, wo ihr so früh aufbrechen müsst.«
    »Los, Mr Sattersway«, rief Doris ausgelassen und packte ihn am Arm. »Wer früh zu Bett geht, findet morgens eher aus den Federn!«
    Madge hängte sich an seinen anderen Arm, und sie liefen begleitet von Doris’ lautem Lachen den Gang hinunter. Am Fuß der Treppe blieben sie stehen und warteten auf Mr Keeley, der in sehr viel gesetzterem Tempo folgte und im Gehen die Lampen ausschaltete. Zu viert stiegen sie die Treppe hinauf.
     
    Am folgenden Morgen, als Mr Sattersway gerade zum Frühstück hinunter ins Esszimmer gehen wollte, hörte er ein zaghaftes Klopfen an seiner Tür, und Madge Keeley trat ein. Sie war totenblass und zitterte am ganzen Körper.
    »Oh, Mr Sattersway!«
    »Liebes Kind, was ist?« Er ergriff ihre Hand.
    »Mabelle – Mabelle Annesley…«
    Etwas Entsetzliches musste geschehen sein. Madge konnte es kaum aussprechen.
    »Sie… sie hat sich erhängt – letzte Nacht. An ihrer Tür. Oh, es ist zu furchtbar!« Sie brach ab und schluchzte auf.
    Sie hatte sich erhängt! Unmöglich! Unbegreiflich!
    Er versuchte, Madge mit einigen sanften altväterlichen Worten etwas zu beruhigen, dann eilte er die Treppe hinunter. David Keeley stand benommen und untätig in der Eingangshalle.
    »Ich habe die Polizei angerufen, Sattersway«, sagte er. »Das müsste man, hat der Arzt gesagt. Er ist gerade mit der Untersuchung der… der… o Gott, was für eine abscheuliche Geschichte! Sie muss entsetzlich unglücklich gewesen sein… es auf diese Weise zu tun. Eigenartig, das Lied gestern Abend. Schwan – Schwanengesang, wie? Sie sah auch aus wie ein Schwan – ein schwarzer Schwan.«
    Ja.
    »Schwanengesang«, wiederholte Keeley. »Sie muss es geplant haben, nicht wahr?«
    »Man könnte es glauben; ja, gewiss, das könnte man denken.«
    Er zögerte etwas und fragte dann, ob er die… falls es möglich wäre…
    Sein Gastgeber verstand die gestammelte Frage. »Wenn Sie wollen? Ach ja, Sie haben ja eine Vorliebe für menschliche Tragödien.«
    Er führte

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