Der seltsame Mr Quin
schon.«
»Aber sie ist doch nur ein paar Minuten nach Ihnen zu Bett gegangen, nicht wahr, Sir?«, fragte er, zu David Keeley gewandt.
Keeley nickte.
»Sie war nach einer halben Stunde noch nicht oben«, beharrte Annesley störrisch.
Der Inspektor ließ seinen Blick langsam zu Mrs Graham hinüberschweifen. »Hat sie sich vielleicht noch eine Weile in Ihrem Zimmer mit Ihnen unterhalten, Madam?«
Täuschte sich Mr Sattersway, oder zögerte Mrs Graham wirklich einen Augenblick, bevor sie antwortete? Aber sie sprach ruhig und bestimmt. »Nein, ich bin direkt auf mein Zimmer gegangen und habe die Tür geschlossen. Gehört habe ich nichts.«
»Und Sie behaupten, Sir, Sie hätten geschlafen und nichts gemerkt? Die Verbindungstür stand doch offen.«
»Ich… ich glaube, ja«, antwortete Annesley. »Aber meine Frau hätte ohnehin die andere Tür vom Korridor aus benutzt.«
»Trotzdem: Es muss gewisse Geräusche gegeben haben. Erstickungslaute, Hämmern der Fersen gegen die Tür…«
»Nein!«, unterbrach Sattersway heftig. Er konnte nicht mehr an sich halten. Unter den verblüfften Blicken der Anwesenden wurde er nervös, errötete und stotterte: »Ich… ich bitte um Entschuldigung, Inspektor. Aber ich kann nicht länger schweigen. Sie sind auf dem Holzweg, völlig auf dem Holzweg! Mrs Annesley hat sich nicht das Leben genommen. Sie ist ermordet worden: Davon bin ich fest überzeugt!«
Totenstille trat ein. Schließlich fragte Inspektor Winkfield ruhig: »Was führt Sie zu dieser Annahme?«
»Ich… es ist ein Gefühl. Ein sehr starkes Gefühl.«
»Aber, Sir, dieses Gefühl, wie Sie sagen, kann doch nicht alles sein. Sie müssen einen bestimmten Grund für Ihre Behauptung haben.« Allerdings hatte er einen bestimmten Grund: Mr Quins geheimnisvolle Nachricht. Aber damit konnte man einem Polizeiinspektor kaum kommen. Mr Sattersway überlegte krampfhaft, wie er sich herausreden sollte. Schließlich fiel ihm etwas ein.
»Als ich mich gestern Abend mit ihr unterhielt, sagte sie, sie sei sehr glücklich. Ganz einfach: sehr glücklich. Eine Frau, die das sagt, nimmt sich nicht kurz darauf das Leben.« Und triumphierend fügte er hinzu: »Sie kehrte noch ins Wohnzimmer zurück und holte ihre Ukulele, um sie bei der Abreise heute Vormittag nicht zu vergessen. Sieht das etwa nach Selbstmord aus?«
»Nein«, gab der Inspektor zu. »Nein, eigentlich nicht.« Er wandte sich an David Keeley: »Hat sie die Ukulele mit hinaufgenommen?«
Der Hausherr dachte nach. »Doch. Als sie die Treppe hochging, hatte sie sie in der Hand. Ich entsinne mich, dass ich die Ukulele sah, als sie auf der Treppe um die Ecke bog, bevor ich das Licht hier unten ausschaltete.«
»Oh, aber jetzt liegt sie hier«, rief Madge und deutete mit dramatisch ausgestrecktem Arm auf einen Tisch.
»Merkwürdig«, sagte der Inspektor, durchquerte das Zimmer und drückte auf den Bedienungsknopf.
Der Butler erschien, bekam eine kurze Anweisung und machte sich auf die Suche nach dem Mädchen, das morgens die Zimmer aufräumte. Als sie erschien, sagte sie ohne Umschweife aus, das Instrument habe am frühen Morgen, als sie zum Staubwischen ins Zimmer gekommen sei, bereits auf dem Tisch gelegen.
Inspektor Winkfield entließ das Mädchen und bat danach ziemlich kurz angebunden auch die anderen, den Raum zu verlassen. Er wolle Mr Sattersway einige vertrauliche Fragen stellen. Niemand dürfe sich jedoch aus dem Haus entfernen.
»Ich… ich bin sicher. Inspektor, dass Sie die Untersuchung ausgezeichnet führen. Ausgezeichnet!«, sagte Mr Sattersway hastig, sobald sich die Tür hinter den anderen geschlossen hatte. »Ich dachte nur, weil ich, wie ich schon sagte, dieses starke Gefühl hatte…«
Der Inspektor brachte ihn mit erhobener Hand zum Schweigen. »Sie hatten völlig Recht, Mr Sattersway. Die Dame ist ermordet worden.«
»Sie wussten es also schon?«, fragte Mr Sattersway gekränkt.
»Gewisse Dinge gaben Dr. Morris zu denken.« Er blickte den Arzt an, der geblieben war und seine Aussage mit einem Kopfnicken bestätigte. »Wir haben alles gründlich unter die Lupe genommen und herausgefunden, dass die Frau sich nicht mit dem Strick, den sie um den Hals hatte, erhängte. Sie ist erwürgt worden, mit etwas viel Dünnerem als mit dem Strick. Vielleicht war es ein Stück Draht oder etwas Ähnliches. Unter dem Abdruck des Strickes fanden wir tiefe Einschnitte in der Haut. Der Mörder hat sie erwürgt und dann an die Tür ihres Zimmers gehängt, um Selbstmord
Weitere Kostenlose Bücher