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Der Semmelkoenig

Der Semmelkoenig

Titel: Der Semmelkoenig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katja Hirschel
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›Zimmer aufräumen‹ finde ich jetzt auch nicht so schlimm. Sie hätten ja auch einen Streit haben können«, klangen seine wirklich gut gesetzten und vor allem behutsamen Worte. Und jetzt musste er langsam Gas geben.
    »Sie verstehn mich nicht, Herr Kommissar. Ich sag so einen Schmarrn zu meinem Mädel, dabei is sie ordentlicher wie ich! Warum hab ich denn nix andres gesagt!«, weinte sie weiter.
    Maus nahm im Geiste den Fuß wieder vom Gaspedal, behielt aber seinen Kurs bei und startete einen neuen vorsichtigen Versuch.
    »Wie war denn Ihr Verhältnis so allgemein gesehen?«
    »Unser Verhältnis? Oh Gott, sie hat sich sehr verändert! Mein kleiner Sonnenschein wurde so verschlossen, so gereizt, war plötzlich in der Schule schlecht, schwänzte, trieb sich rum … Immer wenn ich sie darauf ansprach, schrie sie mich an, dass ich mich da raushalten solle. Ich hätte merken müssen, dass sie Hilfe brauchte. Hätte mich nicht wegdrehen sollen!«
    Zum ersten Mal blickte sie den Kommissar an, aber ihre Augen waren ausdruckslos.
    »Hatte sie denn, abgesehen von der Schule, irgendwelche anderen Probleme? Ich meine zum Beispiel mit ihren Freundinnen? Mitschülern? Den Mitarbeitern im Waldkindergarten? Mit ihrem Bruder? Sie haben doch noch einen Sohn?«
    Frau Blum begann nun nachdenklich das verknüllte Papiertaschentuch in kleine Fetzen zu zerreißen.
    »Mit ihrem Bruder hat sie sich nie verstanden. Meine Kinder waren wie Katz und Hund, aber das liegt vermutlich an den Umständen und dem Altersunterschied. Ansonsten war sie eher eine Einzelgängerin. Sie hatte eigentlich nur eine richtige Freundin – die Jessica – aber seit sie das Praktikum gemacht hat, haben die sich nicht mehr so oft gesehen. Glaube ich zumindest, denn ich hab die Jessica erst neulich beim Einkaufen getroffen und sie hat nach Heidi gefragt.«
    »Hatte sie denn einen festen Freund?«
    Ein Geräusch war zu hören und Maus konnte es nicht gleich zuordnen. Es hörte sich wie das Glucksen einer verstopften Wasserleitung an, bis er begriff, dass Frau Blum lachte. Oh nein, sie war kurz vor einem hysterischen Zusammenbruch! Hier kam er heute nicht mehr weiter. Wo blieb nur Steffi mit dem Tee?
    »Äh, Frau Blum, vielleicht sollten wir jetzt erst einmal Ihren Hausarzt anrufen, damit er Ihnen was zur Beruhigung geben kann …«
    »Einen Freund?«, sie hatte ihn offensichtlich nicht gehört. »Einen Freund? Da fragen Sie die Richtige! Mei, natürlich muss da jemand gewesen sein, aber ich bin die Letzte, der sie was gesagt hätte! Immer ist sie abends verschwunden, auch wenn sie am nächsten Tag früh rausmusste. Deshalb hab ich mir gestern auch keine Gedanken gemacht. Ich bin einfach ins Bett gegangen, während jemand zur gleichen Zeit mein Kind umgebracht hat!«
    Zu schnell schoss ihr Arm vor. Maus konnte nicht reagieren, spürte nur, dass sich ihre Hand erst in den Jackenärmel und dann schmerzhaft in seinen Oberarm vergrub, um ihn dann zu sich zu zerren. Ganz nah war er ihr plötzlich, sah die weitaufgerissenen Augen, die zitternden Lippen.
    »Wen? So sagen Sie mir doch! Wen hat sie getroffen? Wer ist dieses Schwein, das mir mein Mädchen genommen hat?«
    Das war das letzte Aufbäumen, dann klappte sie zusammen. Sie ließ ihn los, ihr Gesicht lief rot an, ihr Mund öffnete sich und ein langgezogenes Heulen erklang, das Maus mehr Angst machte, als er zugeben wollte. Steffi stieß, ein Tablett mit einer Kanne und ein paar Tassen darauf balancierend, die Tür auf, sah den Kommissar strafend an und eilte zu der verzweifelten Frau.
    »Frau Blum, schon gut!«
    Sie stellte das Teeservice ab und nahm die Frau in die Arme.
    »Äh, ich seh’ mich dann mal in Heidis Zimmer um. Wo ist das denn?«, räusperte sich Maus und da Sandra Blum offensichtlich unfähig war zu sprechen, wartete er, bis sie nach einer Weile schluchzend auf die Zimmerdecke deutete.
    »Ah, Sie meinen oben?«
    »Jähä.«
    Steffi strich über ihren Rücken.
    »Gleich die erste Tür links.«
    Steffi tröstete sie weiter.
    »In Ordnung, danke«, murmelte Maus und verließ das beklemmende Wohnzimmer.
    Bei dem Gebäude Bauerstraße 100 handelte es sich um ein kleines Siedlungshäuschen aus den 40er Jahren, das denen der Nachbarn – sofern diese sie nicht umgebaut hatten – in seiner platzsparenden, aber zweckmäßigen Konstruktion glich. Im winzigen Flur sah sich Maus erst einmal um. Hier war eine kleine Garderobe, ein Schuhschrank, ein rustikales Schlüsselbrett, das mit Bauernmalerei und den Namen

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