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Der Semmelkoenig

Der Semmelkoenig

Titel: Der Semmelkoenig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katja Hirschel
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Ausruf direkt an seinem linken Ohr, doch Frau Blum schüttelte nur resigniert den Kopf und erklärte mit müder Stimme:
    »Herr Maus, Frau Vogler, das ist mein Sohn Sebastian. Sebastian, das ist der Kommissar, der hier ist, weil …, weil …«, plötzlich erinnerte sie sich wieder an den unendlichen Schmerz des Verlustes ihrer Tochter und konnte daher nicht weitersprechen. Steffi sprang von Sebastians Rücken ab und dann ein, indem sie die weitere Erklärung übernahm: »Herr Blum, es tut mir sehr leid, dass wir es Ihnen auf diese Art mitteilen müssen, aber Ihre Schwester ist bedauerlicherweise einem Mord zum Opfer gefallen. Mein Beileid!«
    »Was is’?«
    Sein Gedankenvorgang war offensichtlich noch nicht abgeschlossen, aber Maus, der mittlerweile neben ihn getreten war, schaltete sich jetzt ein.
    »Ja auch von mir. Mein Beileid! Und jetzt machen Sie sich fertig, denn Sie kommen mit auf die Wache.«
    »Wieso das denn?«
    Maus verdrehte die Augen.
    »Nun Herr Blum, was halten Sie von dem Delikt: tätlicher Angriff auf einen Polizeibeamten? Nebenbei gesagt, einer von der ganz brutalen Sorte! Außerdem möchte ich Sie noch zu Ihrer Schwester befragen! Also, gehen mer, gehen mer, aber dalli, sonst kriegen Sie noch ein Verfahren wegen Widerstand gegen die Staatsgewalt, also mich!«
    Den großen jungen Mann an seiner Mutter vorbeischiebend, drehte Maus sich noch einmal um.
    »Steffi, packen Sie mal den Computer und das Märchenbuch ein!«

12
    »Obacht! Da geht’s steil runter!«
    Claudia Hubschmieds Warnung kam keine Sekunde zu spät. Fast wäre der Austauschpolizist Hannes tatsächlich abgerutscht. Es war wirklich sehr anstrengend, sich in dieser Bergwelt trittsicher zu bewegen. Der Stein, auf dem er gerade noch gestanden hatte, löste sich und fiel polternd den Abhang hinab. Das hätte auch ich sein können, schoss es ihm durch den Kopf.
    »Mei, Hannes, Sie müssen scho schaun, wohin Sie treten.«
    »Ja, ja. Ist ja nochmal gut gegangen.«
    Das war wirklich die anstrengendste Spurensuche, die er jemals durchgeführt hatte. Seit Stunden bahnten sie sich nun durch unwegsames Gelände und irgendwie war ihm allmählich der Sinn zu dieser Aktion abhandengekommen. Der Oberförster – dieser war nach Maus Abgang relativ schnell zu ihnen gestoßen und führte sie seitdem gnadenlos über Stock und Stein – drehte sich um.
    »Ich denk’, der Abschnitt ist dann auch erledigt.«
    Er war ein Bilderbuchexemplar seiner Zunft. Kräftig gebaut – ein breiter Brustkorb spannte sich unter dem Janker, den er trotz des warmen Tages trug –, rotwangig, den Hut lässig schief sitzend, die kurzen, strammen Beine in einer Kniebundhose, die seine wohlgeformten, süddeutschen Waden sehr gut zur Geltung brachten, seinen Hund »Wasti« – einen freundlichen Weimaraner Langhaar – bei Fuß stand er da und lächelte Claudia väterlich an. Für Hannes hatte er jedoch immer noch keinen Blick übrig. Die sich seit Beginn der Suche anbahnende Feindseligkeit zwischen den Männern schien unaufhaltsam ihrem Höhepunkt entgegenzueilen. Claudia schüttelte den Kopf. Wie arm doch das andere Geschlecht war. Setzte man sie mit einer Frau im Urlebensraum ihrer Vorfahren aus, dann benahmen sie sich nicht besser als Hirsche in der Brunftzeit. Da wurde das Revier markiert, sich in die Brust geworfen und grunzende Warnlaute wurden dem Gegner zugeworfen. Zwar tat ihr Hannes leid, denn er hatte eindeutig die schlechteren Karten, aber er war auch selbst schuld, denn er hatte sich auf diesen Kampf um den Platz des Alphamännchens eingelassen.
    »Tja«, meinte Claudia, »dann würd’ ich sagen, dass wir unser Glück mal auf der anderen Seite vom Wildbach versuchen. Wos denken Sie, Herr Oberförster?«
    »Scho recht, Fräulein Oberkommissar! Des is’ aber ein wenig anspruchsvoller. Ich mein, ihr Kollege hat ja schon hier rauf nicht gut mithalten können. Glauben Sie, dass …«
    Das war zu viel! Hannes fuhr herum und wollte gerade zu einem besonders ätzenden verbalen Angriff – gespickt mit Worten wie Waldschrat, Hinterwäldler, Wurzelzwerg, Zapfennase, Knödelwade, Bergsepp, Hirschkopf – ansetzen, als der Hund plötzlich mit gesträubtem Rückenhaar aufsprang und anfing, laut und heiser zu bellen.
    »Ja Wasti! Was hast denn? Aus!«
    Das Tier dachte aber nicht daran, aufzuhören. Im Gegenteil: Jetzt schien sich seine Stimme vor lauter Aufregung noch zu überschlagen. Hannes war erstaunt, wie wenig der aufgeblasene Oberförster seinen Hund im Griff hatte.

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