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Der Semmelkoenig

Der Semmelkoenig

Titel: Der Semmelkoenig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katja Hirschel
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leider hierbleiben, falls irgendwo was in die Luft geht!«, rief er noch über die Schulter und – begeistert von seiner eigenen so bildhaft schönen Formulierung – begann er zu kichern, während er Herrn Li seine Bestellungen reichte.
    »Das ist ja dumm!«
    Hannes gerade noch so gute Laune war schlagartig verflogen. Da hatte er sich wohl zu früh gefreut, und der Optimismus, dass er nun endlich vorankäme, sah sich mit der grauen Realität konfrontiert und war augenblicklich verschwunden. Eigentlich hätte er ja nicht sonderlich überrascht sein dürfen, denn er war es durch jahrelange Erfahrungen nicht anders gewohnt. Aber sich jetzt so in einer mobilen Sackgasse zu finden, machte ihn ärgerlich. Sollte er etwa den Bus nehmen, der vermutlich auch nur alle drei Stunden fuhr? Ein Taxi würde wegen des Volksfestes wohl auch schwer zu kriegen sein. Wieder einmal war es Steffi, die einen Ausweg wusste.
    »Ich kann dir gern mein Radl leihen. Du willst ja sowieso nur ein paar Leute befragen und hier kommt man auch schneller ohne Luftverschmutzung voran.«
    Fahrrad? Hannes legte die Stirn in Falten. Warum nicht!? Dann würde er sich als Erstes Wolfi Wiesholz vornehmen! Eigentlich hatte er vorgehabt, bei dieser Vernehmung auf Claudia Rücksicht zu nehmen. Es wäre ihm wichtig gewesen, sie dabeizuhaben, denn immerhin war er ihr Cousin. Aber wenn sie etwas Besseres zu tun hatte, dann würde Wolfgang eben mit ihrem vergessenen Kollegen und dessen momentan nicht besonders guter Laune vorliebnehmen müssen. Irgendwie freute sich Hannes sogar schon darauf, dem Schönling hemmungslos auf die Füße treten zu dürfen.
    »Gut, so machen wir es. Kannst du mir kurz erklären, wie ich zu dieser Adresse komme?«

66
    »Ich glaub, ich hab sie! Ihr dicker Hund sitzt drauf!«
    Paul hatte ein verdächtiges Aufblitzen bemerkt. Einem Sonnenstrahl war es offensichtlich gelungen, sich durch die Blätter zu stehlen, und wurde von den Brillengläsern reflektiert.
    »Schsch! Nenn sie nicht dick. Sie hat nur einen starken Knochenbau!«, warnte Lotte. Gleichzeitig hob sie so sanft wie möglich ihren pummeligen Liebling hoch und in der Kuhle, in der der Hund gesessen hatte, lag tatsächlich die Brille.
    »Na wunderbar, Bub. Hier, setz sie gleich auf! Jetzt is alles wieder gut, oder?«
    Der Junge kam der Aufforderung sofort nach. Endlich konnte er sehen, mit wem er die letzte halbe Stunde verbracht hatte. Eine freundliche, alte Frau, leicht gebückt ihren übergewichtigen Dackel haltend, lächelte ihn an. Hinter ihr stand der Mann, auf dessen Gesicht sich ein offener Gefühlsringkampf abspielte. Er schwankte zwischen Ärger und Besorgnis, zwischen Besorgnis und Ärger. Als aber der Ärger die Oberhand zu gewinnen schien, machte sich Paul automatisch ganz klein.
    »Alfred!«, missbilligend setzte Lotte den Hund ab, um dann ihren Mann mit vorwurfsvollem Blick zu strafen. »Du machst dem Bub ja Angst.«
    Sofort schien es ihrem Mann leid zu tun. Er versuchte sogar ein kleines, jedoch etwas angespanntes Lächeln.
    »Das wollt ich nicht, Kind. Ich bin nur etwas ratlos, was passiert sein könnte. Du hast uns noch gar nicht erzählt, was dich so erschreckt hat und wo das Blut herkommt!«
    Paul blickte zuerst die Frau an, dann den Hund, dann den Mann, wieder den Hund, den Mann und entschied sich schließlich, dem Tier sein traumatisches Erlebnis zu erzählen, während das Ehepaar zuhören durfte. Als er seinen Bericht beendet hatte, war es zunächst eine Weile still. Nur das Rascheln einer kleinen Maus irgendwo im Laub war zu hören.
    »Hm!«
    Alfred räusperte sich. Als er weitersprach, musste er mit Befriedigung feststellen, dass ihm diesmal zugehört wurde.
    »Wir machen Folgendes: Wir gehen jetzt mal zu der Stelle und schauen ….«
    »Nein!«
    Paul riss panisch die Augen auf, die, verstärkt durch die dicken Brillengläser, wie riesige Bälle der Angst aussahen.
    »Nein! Bitte, bitte, nein! Sie können mich nicht zwingen, zu diesem Ungeheuer zurückzugehen! Bitte, bitte …«
    Der Junge begann am ganzen Körper zu zittern.
    »Aber …!«, bevor Alfred jedoch weiter in Paul dringen konnte, hatte Lotte ihn am Arm genommen und diskret zur Seite gezogen.
    »Du siehst doch, dass er Angst hat!«, flüsterte sie. »Du kannst ihn nicht zwingen!«
    Alfred schüttelte voller Abscheu den Kopf.
    »Was ist nur mit der Jugend von heute los? Keinen Schneid mehr, was!«
    »Mit dieser Einstellung kommst du aber nicht weiter. Das funktioniert nicht. Das hat auch bei

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