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Der Semmelkoenig

Der Semmelkoenig

Titel: Der Semmelkoenig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katja Hirschel
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hier? So früh? Sollte das etwa ein geheimes Familientreffen werden? Aber wo war der Sohn? Vielleicht war Georg ja mit einem der beiden hierhergekommen. Ihre schnellen Schlüsse ziehend hatte Claudia leider keine Zeit, sich länger ihrem altersschwachen Verehrer zu widmen. Fast beleidigt musste dieser daher wieder auf sich aufmerksam machen.
    »Wos sogst eigentlich zu meiner neistn Beauty?«
    Willy Haderer breitete mit einladender Geste beide Arme aus und versuchte so, Claudias Augenmerk auf seinen nagelneuen Bentley zu lenken.
    »Is a Traum, moanst ned a?«
    »Hmm …«, sie kniff die Augen zusammen und konterte mit gespitzten Lippen. »Finden Sie wirklich, Herr Haderer? Mir scheint, dass dieses Gefährt schon ein bisschen gesetzt und gediegen wirkt. Ich denke zu einem Siebzigjährigen vielleicht durchaus passend, aber bestimmt nicht das, was Sie sonst immer mit Ihren Autos im Sinn hatten. Das ist eindeutig kein Hasenmagnet! Oder heißt das Gabyreinhüpfer? Mariflachleger? Potenzmangelvertuscher? Viagraalternative? Aber wie auch immer so etwas genannt wird, drängt sich mir nun unweigerlich die Frage auf, was mit Ihrem Ferrari passiert ist?«
    Das machte ja unendlich Spaß! Plötzlich wieder halbwegs guter Laune, drehte sich die Kommissarin um und ließ den verdutzten Neuwagenbesitzer mitsamt seiner teuren Golfausrüstung auf dem Parkplatz stehen. Noch das Lachen der jungen hübschen Frau in den Ohren, strich Willy Haderer etwas nachdenklich mit seinem Taschentuch über einen nur für seine Augen sichtbaren Fleck auf der Motorhaube.
    »Grüß Gott, Herr Haderer!«, ertönte plötzlich eine leicht kratzige Stimme hinter ihm.
    Willy hielt in der Bewegung inne und grinste. Ihm war sehr wohl bewusst, dass er Frauen wie Claudia Hubschmied nicht beeindrucken konnte, aber bei einer Dame wie Frau Prof. Dr. Dr. Jung hatte er immer noch sehr gute Chancen. Ein breites Lächeln ließ seine blendend weißen Dritten aufblitzen, als er sich umdrehte und flötete.
    »Mei, die Sonne geht auf. Gnädige Frau, wie schön Sie hier zu treffen. Planen Sie auch, diesen herrlichen Tag mit etwas Sport und einem der neu eingetroffenen Weine zu genießen?«
    »Genau dies, mein Lieber. Mögen Sie mich begleiten?«
    »Nichts lieber als das, gnädige Frau, nichts lieber als das!«

70
    Als Alfred endlich seine Frau und den Jungen eingeholt hatte, musste er erst einmal kurz verschnaufen. Nie hätte er gedacht, dass die beiden schon so weit sein könnten. Auch war es eine Überraschung, dass Lotte die richtige Richtung gefunden hatte. Aber ein Blick auf Paul genügte, dieses Rätsel zu lösen. Der Junge hatte es, vollkommen nachvollziehbar, sehr eilig, die Gegend zu verlassen.
    Wahrscheinlich lag schon ein Körnchen Wahrheit darin, dass alte Leute den Alterungsprozess gegenseitig beschleunigten. Den Beweis lieferte Lotte. Waren ihre Spaziergänge von Tag zu Tag langsamer geworden, genügte lediglich ein Kind, um bei ihr tief schlummernde Energien freizusetzen und sie – trotz gebeugter Haltung – zu veranlassen, sich wieder recht flott zu bewegen. Sie war jetzt tatsächlich ein wenig verärgert, weil sie hatte anhalten müssen. Ungeduldig stupste sie daher ihren Mann an.
    »Was? Was ist jetzt? Gab es da jemanden?«
    Alfred nahm seinen Hut ab und wischte sich mit dem Ärmel über die nasse Stirn.
    »Mei …«, begann er. »Das ist eine sehr merkwürdige Sache. Penny und ich gingen also den Weg entlang …«
    Er machte eine, seinem Empfinden nach wohlplatzierte, Kunstpause, was jedoch unweigerlich wieder den Unmut seiner Frau heraufbeschwor.
    »Alfred, ich bitte dich. Sei nicht so umständlich! Jetzt haben wir keine Zeit für irgendwelche Spannungsbögen. Komm auf den Punkt. Lag da einer? Und wenn ja, ist er tot?«
    Es hatte keinen Sinn mit ihr zu streiten. Auch der Junge trat nun nervös von einem Fuß auf den anderen. Beide hatten ja recht, es musste schnell gehandelt werden.
    »Also, jetzt drängt mich nicht so.«
    Zumindest dieser leicht beleidigte Einwurf sollte ihm vergönnt sein, bevor er die gewünschten Informationen weitergab.
    »Der Kerl ist noch am Leben, aber es geht ihm sehr schlecht. Wir müssen umgehend einen Krankenwagen rufen«, und an Paul gewandt fügte er beruhigend hinzu: »Es war nicht deine Schuld, mein Junge. Da hat schon jemand vorher draufgehauen.«
    Als wäre irgendwo ein Startschuss gefallen, setzte sich Penny umgehend in Bewegung, überholte das Grüppchen und zog Alfred hinter sich her. Die anderen beiden

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