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Der Semmelkoenig

Der Semmelkoenig

Titel: Der Semmelkoenig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katja Hirschel
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jährlichen Spiel gegen die Männer aus der Bauerstraße gegipfelt. Sie waren sich schon als Kinder in der Wolle gewesen – eine Vendetta, die, wie er wusste, von Generation zu Generation weitergegeben wurde – aber da sie leider erwachsen gewesen waren, hatten sie nicht wie ihre Söhne mit Prügeleien die gegenseitigen Kämpfe austragen können, sondern dies unter dem Deckmantel des Sportlichen tun müssen. Dass dabei nicht gerade schön gespielt worden war, lag auf der Hand. »Die Gratler gegen die Großkopferten« war das Spiel in Kennerkreisen genannt worden. Alfred erinnerte sich daran, dass damals sein Freund Toni Huber nach einem besonders harten Zusammenstoß mit einem der Schläger aus der Bauerstraße hatte vom Platz getragen werden müssen. Durch Zufall – natürlich als der Schiedsrichter einmal nicht hingesehen hatte – hatte dieser verruchte Mensch einen Stein vom Spielfeldrand aufgehoben und Toni über den Schädel gezogen. Die Wunde von damals sah der ähnlich, die der Fremde jetzt hatte.
    Immer noch fühlte er keinen Puls. Alfreds Fingerspitzen fingen an zu schwitzen. Aber nein, das war kein Schweiß, das war ja Blut. Angewidert zog der alte Mann seine Hand fort. Penny war jetzt langsam ihre Rolle als beleidigte Leberwurst leid. Ihre ausgeprägte Neugier half sehr dabei – besonders in Situationen wie dieser –, über den eigenen Schatten zu springen. So schnell es ihre kurzen Beine zuließen, wackelte sie zu ihrem Herrchen, schnupperte an dessen Ärmel, drehte um und beschnüffelte den Mann am Boden. Das roch doch ganz gut! Sie begann über die Stirn des Verwundeten zu lecken.
    »Penny, Liebling, nein, mach das nicht! Das ist ekelhaft!«
    Alfred war zwar froh, dass die Hundedame ihm nicht mehr böse war, aber trotzdem musste er sie irgendwie daran hindern, sich an dem eventuellen Kadaver zu laben. Bevor er aber weitere Maßnahmen – zum Beispiel das Tier grob am Halsband zurückzerren, laut schimpfen oder beides zusammen – einleiten konnte, begann der vermeintliche Tote plötzlich zu stöhnen. Ein zufriedenes Bellen ertönte und Penny wedelte mit dem Schwanz.

69
    »Ja, mei, die Claudi!«
    Braungebrannt, athletisch, nach dem neusten Modediktat einer Sportmarke gekleidet, kam Willy Haderer – der angesagteste Golfer der über Sechzigjährigen – auf Kommissarin Hubschmied zu. Noch bevor sie reagieren konnte, hatte er auch schon ihre Hand ergriffen und diese galant mit einem feuchten Kuss bedacht. So vornübergebeugt schaute er sie – wie er meinte verführerisch – aus blassblauen Augen von unten her an. Angewidert entzog ihm Claudia ihre Hand.
    »Willy. Grüß di!«, erwiderte sie spröde.
    Ohne jede Sensibilität, die ihm entweder schon immer gefehlt hatte oder irgendwann im Kleinkindalter abhandengekommen war, wollte er jetzt sogar einen Arm um sie legen. Doch Claudia war schneller. Genervt drückte sie ihn zur Seite.
    »Jetzt geh, lass den Schmarrn.«
    »Mei, jetzt hab di doch ned so. I bin’s! Dei oida Spezl.«
    »Naa, des bist ned. Du bist der Spezl von meim Vadda und i wui jetz a ned mit dir redn. I bin auf da Suach noch dem Schorschi. Wo is denn der nacha?«
    Willy Haderer zog die Augenbrauen hoch, was zur Folge hatte, dass sich seine Stirn in eine Art Wellpappe verwandelte.
    »Mei Madel, wos woaß denn i? Du siegst doch, dass i a grod kemma bin. Sein BMW hob i zumindast ned g’sehn. Oder is er heit mim Ländi unterwegs?«
    »Wos woaß i!«
    Er hatte recht. Auf dem Parkplatz vor dem alten Gutshof, der vor zehn Jahren zum luxuriösen Golfclub mit Hotel umgebaut worden war, hatte sie weder das eine noch das andere von Georgs Spielzeugen gesehen. Sie konnte definitiv ausschließen, dass er mit dem Fahrrad oder zu Fuß gekommen war. So witzig diese Vorstellung eigentlich auch war, so wenig war ihr jetzt zum Lachen zumute. Die letzte Möglichkeit wäre gewesen, dass er mit einem seiner Freunde mitgefahren war.
    Claudia entdeckte einen ihr wohlbekannten Porsche. Andreas Spatz – Ehemann von Sybille Möller-Spatz, somit also ihr Schwager in spe – war also von der Handwerksmesse zurückgekehrt und hatte es offenbar vorgezogen, erst einmal ein paar Bälle zu schlagen, bevor er wieder nach Prinzessin Sybilles oder – schlimmer noch – nach Schwiegerpapas Pfeife tanzen musste. Sie konnte es ihm eigentlich nicht verdenken.
    »Wenn man an den Teufel denkt«, kam es Claudia in den Sinn, denn ganz hinten in der Reihe meinte sie Möller Seniors Mercedes zu erkennen. Der war also auch

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