Der Semmelkoenig
kam es gefährlich ruhig aus dem Munde des Vorgesetzten. »Sie waren auch noch so hirnverbrannt, wichtiges Beweismaterial zu zerstören!«
Hammer überlegte, ob eine Entschuldigung die augenblickliche Situation etwas entschärfen könnte, entschied sich dann aber dagegen.
79
Eine viertel Stunde später klappte Maus sein Notizbuch auf und blickte Andreas Spatz nachdenklich an.
»Nun, das sind leider die augenblicklichen Tatsachen. Wir gehen davon aus, dass es bald eine Lösegeldforderung gibt.«
»Anzunehmen«, nickte sein Gesprächspartner verständig. »Aber was erwarten Sie jetzt konkret von mir? Soll ich schon mal einen Geldkoffer bereithalten? Ich mein, ich bin zwar so was wie der Finanzverwalter meines Schwiegervaters, aber selbst ich hab nicht gewusst, dass er schon seit einiger Zeit erpresst wurde. Er hat neben den Firmen- und Immobilienkonten auch noch ein oder zwei andere Depots, über die ich nichts Genaueres weiß. Er hat mir nie so richtig getraut. Ich war ihm wohl zu ehrlich und mich würde es auch nicht wundern, wenn er da irgendwo noch dunkle Geschäfte am Laufen hätte.«
Maus hatte Mitleid mit dem Mann. Es musste wirklich die Hölle sein, so ein Schlitzohr und einen Hallodri sondergleichen zum Schwiegervater zu haben.
»Wir sollten erst mal abwarten«, erklärte er. »Wenn wir wissen, was die Entführer wollen, dann werde ich Sie umgehend kontaktieren. Es wäre nur gut, wenn wir Sie jederzeit erreichen könnten. Wäre es denn im Notfall ein Problem, größere Summen aufzutreiben?«
Andreas Spatz Augen verdunkelten sich. Maus sah einen bitteren Zug um seinen Mund.
»Wird etwas schwierig, da das meiste Geld fest angelegt ist«, kam die ehrliche Antwort. »Aber, ich werd natürlich alles in Bewegung setzen, falls Sie es wünschen.«
»Gut! Mehr wollte ich nicht hören. Also dann, Kopf hoch. Wir werden den miesen Kerl schon finden.«
Zu spät erkannte er, dass sein letzter Satz nicht ganz eindeutig war. Auch Andreas Spatz fiel es auf und es war offensichtlich, dass er gerne darauf verzichten würde, den Kerl, der sein Schwiegervater war, so schnell wiederzusehen. Maus überlegte, ob er vielleicht eine Klarstellung machen sollte, doch Andreas schüttelte nur traurig den Kopf.
»Danke, Herr Kommissar. Ich warte dann auf Ihre Instruktionen, werde derweil aber mal ins Büro fahren und ein bisschen telefonieren. Es ist aber auch wirklich zu dumm, dass wir heute Samstag haben. Das macht die Sache etwas schwieriger.«
Er wollte schon die Hand zum Gruß heben, ließ sie aber wieder sinken, da ihm offenbar etwas Wichtiges eingefallen war.
»Ach, ich würde Sie da noch um einen kleinen Gefallen bitten: Könnten Sie es meiner Frau noch nicht sagen? Sie regt sich immer gleich so sehr auf und ich glaube, es ist in unser aller Interesse, dass wir nicht auch noch von einer hysterischen Tochter gestört werden.«
Maus war sprachlos. Einerseits schienen Spatz Argumente vernünftig, aber auf der anderen Seite wirkten sie so kalt und gefühllos, dass er sich gar nicht vorstellen mochte, wie es in dieser Ehe aussah.
»Nein, nein, Sie haben mich da eben etwas missverstanden«, Andreas war das Minenspiel seines Gegenübers nicht entgangen. »Ich meinte damit nur, dass ich es ihr lieber selbst sagen möchte.«
80
»Ach, nee. Sie kenn ich doch!«
Hannes, der gerade überlegt hatte, ob es nötig war, das alte Fahrrad abzusperren, fuhr erschrocken herum. Er war wirklich in einem Kaff gelandet – eine schmerzhafte Erkenntnis! Nicht nur, dass er sich immer wieder an denselben Plätzen wiederfand, denn er war nun in der noblen Wohngegend von gestern, das konnte er an der Villa von Bäckermeister Möller ausmachen –, er traf jetzt auch schon auf Bekannte. Die Stadt war wirklich kleiner, als er angenommen hatte. Die hübsche, blonde Frau vor ihm war doch eine der Mütter, die ihm schon gestern im Waldkindergarten aufgefallen waren. Wie war nochmal ihr Name?
»Sybille Möller-Spatz«, kam sie ihm kokett lächelnd zu Hilfe und Hannes fiel alles wieder ein. Claudia hatte sie ihm gestern gezeigt, aber dabei absichtlich vergessen, zu erwähnen, dass sie die Schwester ihres Verlobten war. Wieder spürte er dieses merkwürdig unangenehme Gefühl, verraten worden zu sein. Fast feindselig begann er, die Frau zu taxieren. Sie war extrem sexy. Vermutlich ein bisschen zu sehr für diese gutbürgerliche Gegend. Sybille, bar jeder Sensibilität, sah lässig über den finsteren Gesichtsausdruck ihres Gesprächspartners hinweg.
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