Der Semmelkoenig
ihre Mimik. Da hatte er ja wohl nicht gerade ihre Busenfreundin auf der Liste. Sybille schüttelte energisch den Kopf.
»Oh, überhaupt nicht! Diese Tante Etepetete! Aber das is natürlich nur meine Meinung. Ich bin ’ne Frau. Bei den Männern sieht das wohl ganz anders aus. Sie hat da was laufen, aber Genaues weiß man nicht.«
»Wirklich? Und Sie haben keine Ahnung mit wem?«
Es war offensichtlich, dass er ihren wunden Punkt getroffen hatte. Genervt zog sie die Mundwinkel runter – was ihr tatsächlich mal nicht besonders stand – und zuckte missbilligend die Schultern.
»Naa! Interessiert mich auch nicht. Das Einzige, was ich weiß, ist, dass sie erst seit sieben Jahren hier wohnt, nicht verheiratet ist und keiner weiß, wer der Vater von ihrem Sohn ist.«
»Aber, wenn der Junge das Alter Ihrer Kinder hat, dann müsste sie den Vater vielleicht hier kennengelernt haben?«
Jetzt wurde es langsam wirklich spannend. Auch Sybille ließ sich mitreißen.
»Ja, genau! Sie denken wirklich mit. Das ist es ja, was man sich die ganze Zeit fragt. Wer ist der Vater? Aber da sehen Sie, wie verschlossen und verschwiegen die ist. Ein riesen Geheimnis is das! Aber unter uns, sie hat seitdem der Oskar da is, nicht mehr gearbeitet.«
»Soll heißen?«
»Soll heißen, Herr Oberschlaukommissar, dass der Kindsvater sie heimlich unterstützt! Und da sie hier in dieser Gegend wohnt, muss der Geld haben.«
»Einer der ganz Großen, also?«
Hannes pfiff anerkennend. Das war wirklich starker Tobak. Es lebe der Klatsch!
»Ja, genau so is es.«
»Und Sie können sich wirklich nicht denken, wer das ist? Ich mein, wo Sie doch so gut Bescheid wissen über die Mieteinnahmen der Häuser hier in der Gegend?«
Ihr Lachen klang unerwartet schrill.
»Mei, Sie sind ja ein ganz Schlauer! Aber leider, leider geht da die Miete immer von ihrem Konto ab.«
Sie seufzte und Hannes konnte ihr nachfühlen, wie frustrierend es war, nicht im Bilde zu sein. Sie sahen sich eine Weile schweigend an. Jeder hing seinen Gedanken nach. Sybille rechnete sich ihre Chancen aus, wie lange sie brauchen würde, diesen Mann auf einen Kaffee in ihr Haus zu locken, und Hannes wünschte sich sehnlichst, die Unterhaltung an einem gemütlicheren Ort, vielleicht bei ihr zu Hause bei einem Kaffee fortzusetzen. Doch bevor einer von ihnen den ersten Schritt tun konnte, kam ein Kinderfahrrad mit quietschenden Reifen neben ihnen zum Stehen. Ein kleiner Junge mit dreckverschmierten Wangen stieg umständlich ab.
»Mama«, wandte er sich ernst an Sybille, nachdem er den Radständer ausgeklappt und unvorschriftsmäßig mitten auf dem Gehsteig geparkt hatte. »Mama, die Jenny is in den Pool gefallen. Mit allen Anziehsachen. Jetzt sitzt sie im Garten und heult.«
»Oh, nein, nicht schon wieder«, stöhnte die geplagte Mutter.
»Is nicht so schlimm, Mama«, tröstete der gute Junge, streichelte sanft über ihren Arm, nahm sein Rad, stieg auf und fuhr laut klingelnd wieder davon.
»Tut mir leid, aber ich muss da mal nachsehen. Meine Tochter hat, seitdem man die Leiche von der Heidi gefunden hat, so eine Art Todessehnsucht.«
Sie bedauerte irgendetwas offensichtlich zutiefst. Leider konnte Hannes nicht so richtig einordnen, was genau: dass das Mädchen lebensmüde war oder dass sie ihn jetzt verlassen musste. Um es ihr leichter zu machen, entgegnete er.
»Kein Thema. Ich muss dann sowieso auch mal. Sie wissen schon.«
»Ja, ja. Dann Servus.«
Sie war schon halb auf dem Weg, da drehte sie sich noch einmal um.
»Wenn Sie Lust haben, kommen Sie doch einfach nachher bei mir auf einen Kaffee vorbei. Wir könnten dann weiter spekulieren, wer der geheimnisvolle Fremde is, wenn Sie es bis dahin noch nicht selbst rausgefunden haben. Ich wohn hier gleich gegenüber. Würd mich freuen.«
Sie hätte gar nicht sagen müssen, welches der Häuser das ihre war, denn Hannes hatte sich sofort gemerkt – natürlich für eventuelle Befragungen –, in welcher der Einfahrten der Junge verschwunden war. Glücklich strahlend nickte er und verweilte noch einige Augenblicke, um den Schwung ihrer Hüften beim Gehen zu genießen. Der Wellensittich fing wieder an zu kreischen und riss ihn aus seinen Träumereien. Die Arbeit rief und er ging in den kleinen, mit schönen Linden gesäumten Weg. Teure Appartementhäuser standen dort und Hannes – ein Freund moderner Architektur – staunte nicht schlecht. Man musste wirklich Geld haben, um hier wohnen zu können.
So in Bewunderung versunken,
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