Der Semmelkoenig
hübsch drapiert in der Mitte des Tisches stand. Hmmm, köstlich! Der war eindeutig nicht selbst gemacht. Der war bestimmt vom Bäcker Möller. Maus liebte Inga, wie sie war. Ihre nicht vorhandenen Backkünste gehörten dazu und er konnte davon ausgehen, dass auch sie ihn liebte, denn sie hatte trotz ihrer vielen Verpflichtungen als anerkannte Ornithologin und Naturschützerin dennoch Zeit gefunden, ihm etwas Gutes zu besorgen. Genüsslich ließ er den Geschmack auf der Zunge zergehen. Das war tröstlich. Martin, der Ganter, den seine Frau à la Konrad Lorenz aufgezogen hatte, lugte neugierig durch die offene Küchentür.
»Kschksch verschwinde! Sonst erlebst du Ostern nicht mehr, denn ich bin da flexibel und es muss nicht immer Lamm sein!«
Es war offensichtlich, dass der Kommissar und Martin nicht die besten Freunde waren. Eines Tages, als Maus seine Frau in die Arme genommen hatte, hatte ihm der eifersüchtige Ganter in die Finger gebissen, woraufhin ihm der Kommissar einen heftigen Tritt versetzt hatte. Das Fingerbeißen konnte Maus nicht verzeihen, Martin wiederum nahm ihm den Tritt noch immer übel. Mann und Vogel starrten sich daher jetzt feindselig wie zwei Westernhelden kurz vor dem Showdown an. Der Kommissar gewann und Martin machte sich aufgeregt schnatternd auf die Suche nach seiner Ziehmutter.
»Watschel nur, so schnell du kannst, du alte Petze!«, rief Maus ihm amüsiert nach. Den Gedanken an ein festliches Mahl würde er nicht so leicht aufgeben. Deshalb stach er sich jetzt ein besonders großes Stück von dem Kuchen ab und ignorierte, dass die Hälfte davon beim Transport zu seinem Mund von der Gabel auf den Tisch neben ein Buch fiel. »Aha«, dachte er, »hab ich ja nochmal Glück gehabt. Es wäre schade gewesen, wenn ich auf den schönen Einband gekleckert hätte. «
Er stutzte. Moment mal, das war doch der schöne, alte Märchenband von Fräulein Blum! Den hatte er ja völlig vergessen! Kauend zog er das Buch heran und begann zu blättern.
84
»Warum stehste in meim Planschbecken?«
Eigentlich hatte er es ja irgendwie kommen sehen; dennoch erschrak Hannes, doch so schnell erwischt worden zu sein. Vor ihm hatte sich ein kleiner blonder Junge aufgebaut und blickte neugierig auf seinen Fuß.
»Des darf man nich!«, folgte der altkluge Kommentar. »Des sag ich Mama!«, war die anschließende Drohung.
Hannes stieg schnell aus dem Wasser und wäre fast auf dem Rasen ausgerutscht.
»Deine Mama wird noch dankbar sein, dass ich das gemacht habe!«, knurrte er ungehalten. Zumindest werde ich ihr jetzt nicht mehr die Wohnung vollstinken, fügte er im Geist hinzu. Der Knabe kam ihm negativ bekannt vor und sein letzter Kommentar wertete ihr Treffen nicht gerade auf. Mit gerunzelter Stirn betrachtete er das Kind. Irgendetwas Unberechenbares lag in der Luft. Er sollte sich nicht irren, denn plötzlich und mit einer Schnelligkeit, mit der niemand hatte rechnen können, hüpfte der Junge aus dem Stand in das Planschbecken.
»Nein! Nicht!«
Zu spät! Kichernd lief das Kind im Kreis, spritzte Wasser auf und schien sich nicht an den kleinen, verräterischen Bröckchen und der etwas bräunlichen Farbe zu stören. Angeekelt und zutiefst beschämt blickte Hannes zur Seite. Sollte er unauffällig einfach seiner Wege gehen und vielleicht später einen Kollegen zu dieser blöden Zeugenbefragung herschicken? Nein! Der Ehrenmann regte sich in ihm. Er hatte allein die Konsequenzen zu tragen. Um den Schaden zu begrenzen, musste erst einmal der Junge eingefangen werden.
»Huja, huja!«, rief der mittlerweile begeistert und Hannes wurde schlagartig klar, woher er ihn kannte und nicht besonders leiden konnte.
85
Claudia Hubschmied – auf der Jagd nach ihrem Noch-Verlobten – hatte es sehr eilig, ließ der Einfachheit halber die Autotür offen, rannte zu der Hütte, riss die Tür auf und stürmte in den ersten Stock. Genau so, wie sie es in Erinnerung hatte, lag da das Zimmer; die Lusthöhle des alten Ferkels Josef Möller und für sie jetzt auch eindeutig die Spielwiese von Georg, auf der er sich heimlich mit anderen Frauen amüsiert hatte.
»Schorschi!«, brüllte sie noch etwas atemlos. »Wo steckst nacha du Saubatzi, du dreckada!«
Stille!
»Schorschi gib’s auf! I woas ois! Du konnst di ned vor mir verstecka!«
Nichts!
»Schorschi?!«
Wo steckte er denn? Nervös fuhr sich Claudia mit der Zunge über die Lippen. Das Zimmer war leer. Aber sie wusste genau, dass jemand hier gewesen sein musste. In Hast und
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