Der Semmelkoenig
morgen unsere alljährliche Frühlingsparty haben?«
Es war nur zu offensichtlich, dass er das hatte! Nervös versuchte er ein kleines Lächeln und konzentrierte sich schnell auf eine Ameise, die im Sprint auf einen Krümel unterwegs war. Mit seinem Zeigefinger versperrte er ihr den Weg und das arme Tier drehte sich hektisch, um gleich eine andere Richtung einzuschlagen. Der Wasserhahn tropfte plötzlich unnatürlich laut und das Ticken der Uhr tat fast in den Ohren weh. Verstohlen sah Maus zu seiner Frau, doch ihr Gesicht war unverändert vorwurfsvoll. Martin sah endlich seine Chance und schnatterte anklagend.
»Raus mit dir!«, schimpfte Inga und Kommissar Maus unterdrückte ein schadenfrohes Grinsen. Jedoch währte sein Triumph nicht lange, denn sofort hatte sich seine Frau wieder auf ihn konzentriert. Sie zog einen Stuhl heran, nahm Platz und sagte mit trauriger Stimme:
»Aber wie kannst du das denn vergessen? Wir planen doch schon seit Wochen? Dieses Jahr habe ich sogar alle Teilnehmer von der Vogelstimmenwanderung eingeladen. Hast du wenigstens den Kollegen Bescheid gesagt?«
Hatte er? Maus überlegte fieberhaft. Er könnte es vielleicht mal am Rande erwähnt haben, aber dann schon vor sehr langer Zeit und sicher war er sich jetzt auch nicht. Seine Frau kannte ihn zu gut, als dass sie einen Sinn darin sah, weiter in ihn zu dringen. Stattdessen legte sie ihm eine Hand auf den Arm.
»Meine Güte, wie dumm von mir. Wir haben uns seit gestern Morgen nicht mehr gesehen. Wir haben kaum Zeit mehr füreinander und ich reg mich wegen so was auf.«
Es hatte einen sehr ironischen Beiklang, aber er konnte es ihr nicht verdenken. Schuldbewusst ließ Maus daher den Kopf hängen, die mittlerweile verzweifelte Ameise in Ruhe und seufzte laut.
»Tut mir leid, Inga«, kam seine zerknirschte Entschuldigung. Das zog natürlich wie immer. Schon viel sanfter lenkte sie ein:
»Hattest wohl einen harten Tag, oder? Extraschicht am Samstag. Seid ihr denn weitergekommen?«
Da war sie wieder, die Frau, die er jederzeit noch einmal heiraten würde; temperamentvoll, verschroben, klug, chaotisch, liebenswert, hübsch und so verständnisvoll. Er sah kurz auf die Küchenuhr – Viertel nach drei, da blieb noch etwas Zeit – und begann dann, Inga von seinem noch lange nicht enden wollenden Arbeitstag zu berichten. Es tat wohl, in ihre intelligenten Augen zu sehen und die ganze Last bei ihr abladen zu können.
88
Vollkommen verschwitzt kam Claudia am verlassenen Waldkindergarten an. Doch sie verlor keine Zeit und schlug gleich den Weg zum Wasserfall ein. Als sie um die Ecke bog, sah sie ihn bereits. Er lehnte an der Absperrung und blickte auf das Wasser. Claudia trat zu ihm. Er sah kurz auf, nickte und starrte wieder in die Tiefe.
»Was glaubst, das du siehst?«, fragte sie.
»Weiß nicht. Vielleicht eine Nymphe, eine Nixe, einen Wassergeist«, kam nach einer Weile die Antwort. »Is dir jemals aufgefallen, wie da ’ne Art Regenbogen entsteht, wenn das Licht in einem bestimmten Winkel fällt? Siehste jetzt? Dort, wo die Gischt is?«
Sie tat ihm den Gefallen und beugte sich über das Geländer, um die Stelle besser sehen zu können. Er hatte recht. Es war tatsächlich wunderschön.
»Du hast mich also gesucht?«
»Und gefunden!«, knurrte sie. Wie hatte sie sich nur so schnell und leicht ablenken lassen können? Mit bösem Blick fixierte sie ihn.
»Du hattest was mit der Kloanen, der Heidi! Stimmt’s?«
Er reagierte nicht, was sie noch mehr aufbrachte.
»Du Schwein. Ich hab des Handy gefunden, des du extra für deine geheime Liaison besorgt hast. Du bist Wolf, stimmt’s? Ich hab die SMSen gelesen. Ihr trefft euch schon seit Monaten!«
Gleichgültig hob er eine Augenbraue.
»Na und?«
Sie zuckte zusammen. Diese beiden kleinen Worte verletzten sie tiefer, als sie erwartet hatte. Ohnmächtig vor Zorn holte sie aus und schlug ihm ins Gesicht. Er ließ es gleichgültig geschehen, ohne sich zu wehren. Auf seiner Wange zeichnete sich ein hässlich roter Handabdruck ab. Claudia begann schneller zu atmen, aber sie fühlte sich kein bisschen besser. Langsam hob er den Kopf, begegnete ihrem Blick und versetzte ihr den nächsten verbalen Stich.
»Du bist ja so ’ne Perfekte, Claudi. Zu gut für mich! Des hod a mei Vadda g’sogt. Des Madel host fei ned verdient, hod er g’sogt. Wenn die bei dir bleibt, dann host Glück.«
Er strich sich jetzt eine Strähne aus der Stirn und sah wieder einmal trotz seiner Lädierungen fantastisch
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