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Der Semmelkoenig

Der Semmelkoenig

Titel: Der Semmelkoenig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katja Hirschel
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Eile war etwas gesucht und vielleicht sogar beseitigt worden. Der Schrank und die große Truhe standen offen, die Schubladen des Nachttischchens waren aufgezogen, einige Sexspielzeuge, die man nur hinter vorgehaltener Hand und unter dem Ladentisch mit schamrotem Kopf in einer Seitenstraße der Landeshauptstadt oder im Internet besorgen konnte, lagen verstreut auf dem Boden.
    Aber von Georg Möller keine Spur! Gut, dann war er eben unten. Er musste unten sein und sie hatte ihn in ihrer Hast übersehen. Sein Auto stand schließlich vor der Jagdhütte! In dem dämmrigen Wohnraum stolperte Kommissarin Hubschmied fast über zwei große Koffer, die sie beim Hereinstürmen neben dem Sofa übersehen hatte, aber ansonsten war dort niemand. Verflixt! Wütend stampfte sie auf. Wo konnte er denn sein? Draußen? Ob er sie gesehen hatte und sich irgendwo versteckt hielt? Sie schüttelte den Kopf. Nein, das entsprach nicht seinem Charakter. Georg würde die Auseinandersetzung nicht scheuen. Immerhin war er ein Möller!
    Claudia überlegte; dann war er vielleicht nur spazieren gegangen, um einen klaren Kopf zu bekommen, sich zu sammeln, Abschied zu nehmen, weitere Spuren zu beseitigen? Ein grimmiger Zug legte sich auf ihre Lippen. Sie würde seine Fährte schon aufnehmen, er konnte ihr nicht entkommen. Sie würde sich an seine Fersen heften und sie hatte schon so eine ungefähre Ahnung, wo sie zuerst suchen müsste. Sie sah auf ihre Armbanduhr. Fünf nach drei – ihr blieb nicht mehr viel Zeit!

86
    »Jetzt komm aber langsam mal wieder da raus!«, ermahnte Hannes den Jungen streng. Er stieß auf taube Ohren. Verflixt! Was sollte er denn jetzt machen? Es war nur eine Frage der Zeit, bis die Mutter auftauchen würde, und diese unmögliche Situation machte aus dem Bild eines seriösen Polizeibeamten eine lächerliche Witzfigur. Vielleicht sollte er sich schnell mal den Ratgeber schnappen und nachschauen, wie man ein renitentes Kind zur Räson bringen konnte?
    »Oskar!«
    Zu spät!
    »Oskar, hör auf damit und geh rein! Sofort!«
    Tja, so klang wohl eine Stimme, die alle Oskars der Welt zur Vernunft brachte. Hannes musste es sich noch sehr überlegen, ob er schon bereit für eigene Kinder war.
    An der Terrassenschiebetür stand jetzt eine Frau. Das war also Mama Klöter. Hannes folgte dem Jungen und erst, nachdem er die Liege passiert hatte, fiel ihm auf, dass auch er schuldbewusst den Blick gesenkt hatte und die Schultern hängen ließ. Schnell richtete er sich auf und versuchte, mit einem entwaffnenden Lächeln, von der vorangegangenen Szene abzulenken.
    »Guten Tag, Frau Klöter. Mein Name ist Hannes Petersen, ich bin von der Kriminalpolizei. Dürfte ich Ihnen ein paar Fragen bezüglich der beiden Mordopfer Heidi Blum und Anni Hintersee stellen?«
    Der Anfang war gemacht, nur leider reagierte die Frau nicht. Stoisch beobachtete sie den Jungen, der sich gerade an ihr vorbeidrückte, um ins Haus zu gelangen. Hatte sie ihn denn nicht gehört? Hannes setzte zu einem neuen Versuch an, holte gerade tief Luft, als ihr Zeigefinger hochschnellte, sich an ihre Lippen legte und ihm unmissverständlich bedeutete, still zu sein. Vollkommen perplex tat er ihr den Gefallen. Sah nun zu, wie sie wortlos verschwand und ihn mit seinem Schuh, der triefte und bereits eine Pfütze bildete, einfach stehen ließ. Hannes wartete gespannt. Wenn sie nicht innerhalb von fünf Minuten wiederkommen würde, würde er ihr einfach folgen. Ein Blick auf die Uhr – es war jetzt zehn nach drei – setzte den Startschuss. Zum Glück blieb sie unter der Zeitvorgabe, denn kurz darauf kam sie, beladen mit einem Tablett, auf dem ein Teeservice stand, und lächelte ihn fast schüchtern an.
    »Nehmen Sie doch Platz, Herr Hauptkommissar!«
    »Nicht Hauptkommissar, Frau Klöter, ich bin nur Kommissar«, korrigierte er freundlich den kleinen Schönheitsfehler. Sie sah ihn verständnislos an.
    »Na ja, eines Tages werde ich das vielleicht mal sein …«
    Nein, mit dieser schleppenden Konversation ließ sich wirklich kein Blumentopf gewinnen. Verlegen blickte er sich um. Wo sollte er denn sitzen? Auf der Liege? Offensichtlich, denn sie hatte jetzt davor das Tablett abgestellt, sich selbst gesetzt und fing an, Tee in die zierlichen Tässchen zu gießen. Hannes blieb stehen.
    »Sie müssen entschuldigen, dass ich Sie nicht reinbitten kann, momentan herrscht dort ein einziges Chaos. Aber heute ist sowieso ein viel zu schöner Tag, um drinnen zu sein, finden Sie nicht auch? Hier

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