Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Semmelkoenig

Der Semmelkoenig

Titel: Der Semmelkoenig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katja Hirschel
Vom Netzwerk:
das Buch zu – Inga konnte gerade noch ihre Hände wegziehen – und stand auf.
    »Ich muss dann mal!«, murmelte er zur Erklärung für die plötzliche Hast, beugte sich vor, um seine Frau auf die Wange zu küssen, doch diese war schnell unter den Küchentisch abgetaucht. Maus Kuss ging ins Leere. Was sollte er denn davon halten?
    »Gerhard!«, kam es schnaufend vom Boden. »Ich glaub, das ist …«
    Jetzt wurde Maus aber wirklich neugierig. Was suchte sie denn? Zum Glück musste er nicht lange warten, denn Ingas zerzauster Kopf tauchte auch schon auf. Triumphierend hielt sie ihm einen gefalteten Zettel entgegen.
    »Meine Güte, is des da schmutzig. Da muss ich heut unbedingt noch wischen«, war ihr Kommentar, während sie sich wieder aufrichtete. »Hier, ich glaub, das is eben aus dem Buch gefallen.«
    »Wirklich? Ein Zettel?«
    Maus war etwas misstrauisch. Er konnte sich gar nicht erklären, wie er den hatte übersehen können. Vermutlich hatte er irgendwo im Umschlag gesteckt. Sollte das vielleicht der verzweifelt gesuchte Hinweis sein, durch den in den Kriminalromanen der Held endlich auf die richtige Spur gebracht wurde, nachdem er seitenlang von einer Sackgasse in die andere stolpern musste? Oder gab es »Kommissar Zufall« auch im richtigen Leben?
    »Oh!«, rief Inga erschrocken. »Jetzt sind ja meine Fingerabdrücke drauf. Tut mir leid!«
    »Macht nix. Ich denke, dass wir da sowieso nicht viel Brauchbares finden werden. Hm, aber trotzdem. Leg ihn mal hier auf den Tisch. Hast du vielleicht Handschuhe griffbereit?«
    »Nimm die an der Spüle.«
    Inga Maus hatte vor Aufregung rote Wangen, ihre Augen blitzten und sie war jetzt unverkennbar Gattin eines Polizisten. Fast schon ungeduldig beobachtete sie ihren Mann, der ihrer Meinung nach viel zu lange dafür brauchte, die gelben Haushaltshandschuhe überzustreifen. Er musste grinsen, als er sie aus den Augenwinkeln beobachtete. »Gemach, gemach, meine Liebe. Die Dinger klemmen ein wenig. Meine Hände sind wohl zu groß. So, jetzt bin ich drin. Na, dann schaun mer mal. Hm, das Blatt is zusammengefaltet und zwar genau einmal in der Mitte.«
    Inga schnaubte.
    »Danke, Herr Kommissar. Soweit war ich auch schon.«
    »Is doch nur für’s Protokoll!«, grinste Maus. Dann wurde er aber auch ernst. Vorsichtig öffnete er den Fund.
    »Donnerwetter!«
    »Das is ein Plan, Gerhard. Um genau zu sein, das ist der Plan vom Märchenwald, diesem Kinderschreckensort. Die gibt es am Eingang, damit sich niemand verläuft, wobei ich glaube, dass es doch viele Leute tun, denn die Puppen sind so grausig, dass man vor Schreck ganz schnell die Orientierung verliert.«
    »Du hast recht! Sieh nur, hier sind drei Stellen eingekringelt. Schneewittchen, Siegfried und der Picknickbereich. Hier sind auch die Uhrzeiten notiert. Mensch Inga, weißt du, was du da entdeckt hast?«, er wartete natürlich keine Antwort ab, denn in erster Linie hatte er sich die Frage selbst gestellt.
    »Das ist der Marschbefehl an Heidi zur Geldübernahme. Sieh, hier steht auch ein großes ›H‹ für Heidi. Der Rundgang wurde rot markiert.«
    »Damit sie nicht vom Wege abkommt und schnurstracks zur Großmutter geht«, stellte Inga Maus den vielleicht zufälligen Bezug zu dem traurigen Ende des jungen Mädchens her.
    »Aber sieh mal hier. Da sind die beiden Aus- beziehungsweise Eingänge. Hier steht jeweils ein großes ›S‹. Glaubst du, das ist ihre Helferin? Der Kopf der Bande und ihr Name beginnt mit diesem Buchstaben?«
    »Hm, wäre möglich. Es könnten aber auch zwei verschiedene Personen sein.«
    Maus riss jetzt eine der Tischschubladen auf und begann, darin zu wühlen. Ein paar Sekunden später zog er einen Plastikbeutel hervor, in den er vorsichtig das Beweisstück legte.
    »Ich mach mich dann mal auf den Weg«, schnell, damit sie sich nicht wieder wegdrehen konnte und er es persönlich nehmen musste, küsste er Inga zum Abschied und eilte zur Küchentür hinaus.
    »Gerhard!«, klang es hinter ihm. »Gerhard! Zieh doch vorher die Handschuhe aus. Nicht, dass dir die Farbe nicht stehen würde, aber ich glaube, vor deinen Leuten macht es sich nicht so gut, wenn bekannt wird, wie du dich in deiner Freizeit kleidest.«

92
    Ein feuchter Lappen wischte ihr über das Gesicht. Einmal, zweimal, dreimal. Sie hörte auf zu zählen, aber es tat gut. Sie konnte wieder atmen, und das tat auch gut.
    »Kruzifix noch amal! Jetzt hörst aber auf, du Saubatzi!«
    Das waren also die ersten Worte, die sie in ihrem neuen Leben

Weitere Kostenlose Bücher