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Der Semmelkoenig

Der Semmelkoenig

Titel: Der Semmelkoenig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katja Hirschel
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sein.
    »Das Mädel war nicht gerade beliebt. Ein paar Freundinnen aus der Schule, mit denen sie in letzter Zeit nicht mehr so viel unternommen hatte. Die Leute vom Kindergarten. Ihr Bruder ist ein Neonazi und hirnloser Idiot. Ihn schließe ich als Drahtzieher aus. Von der Mutter wissen wir, dass die Geschwister sich gehasst haben. Heidi hatte einen Freund, oder zumindest einen Liebhaber, aber wer das war, wissen wir noch nicht. Irgendwie komisch, dass wir da immer noch im Dunkeln tappen. Sie war eine gute Geheimniskrämerin und hat es geschafft, die Identität des Kerls zu schützen. Das will was heißen, bei unserem Kleinstadttratsch, wo gerade solche pikanten Geschichten schnell die Runde machen. Tja, sehr ärgerlich, was?«
    »Hm, irgendwie neigst du gerade ein bisschen dazu, hinter allem einen Mann zu vermuten. Warum eigentlich? Weil sie einen Liebhaber hatte?«, fragte sie wie beiläufig und zog das Märchenbuch zu sich heran. »Das ist übrigens eine wunderbare Ausgabe. Hast du dir mal die Bilder angesehen? Wie alt es wohl ist?«
    »Alt«, interessiert beobachtete Maus sie nun dabei, wie sie seelenruhig in dem Buch blätterte. Das war mal wieder typisch. Erst warf sie ihm einen Brocken hin, den er sofort schluckte und dann tat sie etwas total Sprunghaftes und ließ ihn alleine verdauen.
    »Inga, wie hast du das eben gemeint? Warum soll es kein Mann gewesen sein? Denkst du, dass eine Frau Heidi im Rotkäppchenkostüm gejagt und dann ertränkt hat?«, fragte er vorsichtig.
    »Ich spreche von der Erpressungsgeschichte, nicht von Heidis Mörder, Gerhard. Das könnte der Liebhaber gewesen sein. Du sagst ja selbst, es war leidenschaftlich. Ein Impuls, vielleicht aus Eifersucht. Vielleicht hat er rausgefunden, was sie macht, vielleicht hat es ihn gekränkt, dass er nicht mitspielen durfte. Du weißt ja, wie Jungs manchmal sind. Oder sie hatte noch einen anderen Freund, oder ihm gedroht, ihn zu verlassen, weil sie ja bald reich war, ihn also nicht mehr brauchte. Irgendwie so was. Ich glaube aber trotzdem nicht, dass er triebgesteuert in der Lage war, auch noch den Bäckermeister zu erpressen. Außerdem war Heidi wichtig, denn bei Möller war bestimmt noch mehr zu holen. Das war erst der Anfang. Dahinter steckt ein ausgeklügelter Plan, ein kühler, berechnender Kopf und der Ort der Übergabe hat mich auf die Idee gebracht, dass es auch eine Frau sein könnte. Sehr wahrscheinlich sogar eine Frau, die Kinder hat. Eine Mutter also. Oder was denkst du? Märchenpark? Männer ziehen Bahnhöfe, öffentliche Plätze oder das Frühlingsfest vor. Außerdem spürt man deutlich diese Vorsicht. Ach, um es kurz zu machen, schließ meine Gedanken bei der Suche einfach mal mit ein. Vielleicht hab ich ja sogar recht.«
    Sie hatte während ihrer Überlegungen weiter in dem Buch geblättert. Jetzt kam sie bei einer Abbildung an, auf der Rotkäppchen mit Korb und Wolf im dunklen Wald zu sehen war.
    »Hm«, auch Maus sah gedankenverloren auf das Bild. »Dann hätten wir deiner Meinung nach einen Mann als Mörder für Heidi und eine Frau, die der Kopf der Erpresserbande ist. Aber, wer hat dann Anni umgebracht? Was hat sie damit zu tun?«
    »Das, mein Lieber, muss jetzt geklärt werden. Die Anni passt auf den ersten Blick nicht so ganz ins Bild. Aber wenn es einen Zusammenhang geben sollte, dann würde ich mich gleichzeitig auf den Liebhaber und eine Frau als Chefin der Erpresser konzentrieren.«
    »Aha, dann gäbe es nach deiner Theorie sogar zwei verschiedene Mörder? Das macht meinen Job nicht gerade einfacher. Jetzt muss ich nur herausfinden, wer die beiden sind, oder?«, seufzte Maus etwas mutlos.
    »Gerhard, was ich damit sagen will, ist, dass du in verschiedene Richtungen denken solltest. Aber keine Sorge, vorausgesetzt natürlich, ich habe recht, bin ich mir sicher, dass du die einzige Person bist, die es schaffen wird, diese Nuss zu knacken.«
    Sie blätterte um. Das nächste Märchen war Schneewittchen. Auf der dazugehörigen Abbildung sah man die Heldin auf dem Boden knien und den Jäger um Gnade anflehen. Ob Anni das wohl auch gemacht hatte? Irgendwie konnte Maus jetzt Doktor Franks Versuch, eine Parallele zu finden, verstehen. Doktor Frank! Siedend heiß fiel ihm ein, dass er diesen wegen von Hasenbach noch anrufen musste. Vielleicht war der Zeuge mittlerweile schon aufgewacht. Ein Blick auf die Uhr – es war schon fünf nach halb vier – verriet ihm, dass es höchste Zeit war, wieder an die Arbeit zu gehen. Schnell schlug er

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