Der Semmelkoenig
aus ihm herausholen und dieser jemand hatte ein wirklich gutes Druckmittel!«
»Noch mehr Geld? Woher weißt du das?«, warf Inga ein. »Der arme Möller! Und dann noch so kurzfristig? Ich mein, heute haben wir Samstag. Er hatte bestimmt keine Möglichkeit, mehr als ein paar Tausender vom Konto abzuheben.«
»Sehr gut mitgedacht! Man merkt, du bist mit Leib und Seele die Frau eines Polizisten!«, Maus nickte ihr anerkennend zu. »Tja, und die Sache mit dem Geld? Ich hatte da so einen Verdacht, dem wir dann nachgegangen sind. Mithilfe von Möllers Schwiegersohn konnten wir seine österreichischen Geschäftspartner erreichen. Zwei seiner Spezel sagten aus, dass er sich tatsächlich etwas von ihnen geliehen hat. Ist schon praktisch, wenn man einen Safe in der Villa hat, oder? Da man in diesen Kreisen nicht darüber spricht, nahmen die Herren an, dass Möller gerade an einem schnellen, lukrativen und nicht gerade legalen Geschäft interessiert gewesen sei. Daher bekam er den gewünschten Betrag, ohne unangenehme Fragen beantworten zu müssen.«
»Hm, so läuft das also bei denen und unsereiner muss sich bis auf die Unterhose durchleuchten lassen, um mal einen Kredit zu bekommen«, Inga schüttelte nachdenklich den Kopf. »Gut! Und nun zurück zu deinen Fällen. Bis dahin finde ich deine Folgerungen zu dem Täterprofil durchaus logisch. Aber wenn wir hier so einen Kontrollfreak haben, warum wurde der Bäckermeister dann überfallen und verschleppt? Warum wurde nicht einfach das Geld genommen und ein Flug ins Ausland – in ein neues Leben – gebucht? Der ganze Tathergang ist ein einziges Desaster. Alles ist aus dem Ruder gelaufen. Das sieht für mich eher wie eine emotionale Überreaktion aus. Das Geld spielte mittlerweile nur noch eine untergeordnete Rolle. Da steckt mehr dahinter. Das hier ist etwas Persönliches!«
Nachdenklich blickte Maus seine Frau an. Ihr Argument hatte etwas für sich. Das würde auch die Hast erklären, mit der Anni aus dem Weg geräumt wurde. Die kleine Ameise hatte mittlerweile unter großer Anstrengung damit begonnen, den Kuchenkrümel über den Tisch zu ziehen.
»Ich suche schon die ganze Zeit nach einem plausiblen Motiv, warum Heidi umgebracht wurde«, spann Inga den Faden weiter. »Ich mein, sie war doch fester Bestandteil des Teams und durchaus nützlich, oder?«
»Ja, an diesem Punkt setzt meine zweite Überlegung an. Ich glaube auch nicht, dass sie von der Erpresserbande umgebracht worden ist. Da muss was parallel gelaufen sein. Ihr Tod hat etwas Privates, etwas Leidenschaftliches, etwas Unmoralisches. Sie hatte schließlich dieses alberne Rotkäppchenkostüm an.«
Er lachte leise und Inga blickte überrascht auf.
»Der Doktor hat mir erzählt, dass sie drunter nur äußerst delikate Wäsche trug.«
Jetzt stutze er. Warum blickte sie ihn so merkwürdig an? Als ob er damit gerade indirekt etwas hätte sagen wollen. Sie glaubte doch nicht etwa, dass er auch auf so etwas stand? Maus wurde dunkelrot und Inga begann loszuprusten.
»Gerhard, wirklich …«
Sie hatte tatsächlich die Unverschämtheit, ihn auszulachen! Schlimmer noch, es wurde ein richtiggehender Anfall. Tränen liefen ihr die Wangen hinunter, sie musste Luft holen, aber ohne großen Erfolg, denn schon wieder begann sie zu lachen.
»Inga, wirklich. So was ist nicht komisch!«
»Doch …«, japste sie und versuchte sich zusammenzureißen. »Aber wenn du möchtest, werd ich auch mal so was anziehen …«
»Jetzt komm schon, Inga. So können wir den Fall nicht lösen, wenn du ständig rumkicherst.«
90
Ercan Acar war sichtlich genervt. Ausgerechnet heute, als seine Frau allein im Laden war, weil sein Schwager dem Onkel in der Dönerbude aushelfen musste, forderte die Polizei Hilfe an. Er war gezwungen, mit den Beamten Krautschneider und Schuster in Josef Möllers Arbeitszimmer auf einen eventuellen Anruf der Erpresser zu warten, während Elif vermutlich gerade ihre Fingernägel lackierte. Sehr wahrscheinlich würden die Kunden umsonst surfen, weil sie bestimmt vergessen hatte, die Neuzugänge anzumelden. Er konnte es sich bildhaft vorstellen. Sie im Dauergespräch am Handy, während ihr Blick suchend auf den Platz vor dem Geschäft fiel, damit ihr auch ja nicht entging, wenn die Jungs aus dem Fitnessclub kamen. Wieder verfluchte er den Tag, an dem er sie hatte heiraten müssen. Aber wer hätte damals ahnen können, dass aus dem verschüchterten Bauernmädchen im Nu ein anatolischer Vulkan werden würde, der absolut
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