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Der Sensenmann

Der Sensenmann

Titel: Der Sensenmann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jason Dark
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Decke. Die Wände, die mit alten Plakaten beklebt waren. Den Schrank mit den beiden Türen, den Tisch, den Stuhl, die Tür, die hinter ihrem Rücken lag.
    Und auch die Atmosphäre. Sarah Goldwyn gehörte nicht zu den Spinnerinnen oder den Menschen, die sich etwas vormachten, aber ihr war schon komisch zumute, denn den Raum empfand sie auf einmal als etwas eng und bedrückend. Hier staute sich die Luft. Sie hatte das Gefühl, bei jedem Einatmen auch Staub in die Kehle zu bekommen und hätte gern ein Glas Wasser getrunken. Sarah schob den Stuhl zurück. Auf dem Holzboden hinterließ sie zwangsläufig Geräusche, aber da war auch etwas zu hören, das einfach nicht in den Rahmen paßte.
    Ein Klopfen?
    Die Horror-Oma blieb still sitzen. Sie konzentrierte sich und wartete darauf, daß sich das Geräusch wiederholte. Sie hatte Glück, denn es drang hinter ihrem Rücken auf, und sie hatte das Gefühl, daß etwas über das Holz der Tür hinwegkratzte.
    Sofort saß sie unbeweglich auf der Stelle!
    Ein Irrtum? Eine Täuschung? Hatte sie sich von den Protokollen des Schreckens schon so einfangen lassen, daß ihr die Phantasie einen Streich spielte?
    Das wollte Sarah nicht hinnehmen. Sie glaubte daran, was sie gehört hatte, und wartete ab. Diesmal hatte sie den Stuhl gedreht, so daß sie auf die Tür schauen konnte.
    Dort war jemand.
    Sie war sicher.
    Wieder dieses verdammte Kratzen, und ihre Haut zog sich dabei zusammen.
    Es drückte niemand die Klinke nach unten. Es blieb auch wieder still, und Sarah stand langsam auf. Den Riemen der leichten Handtasche hängte sie über ihre Schulter.
    Auf Zehenspitzen näherte sich Sarah der Tür. Obwohl das schmale Fenster noch immer aufgeklappt war, kam ihr die Luft alt, verbraucht und stickig vor, als hielte sie sich schon seit Jahren zwischen den Wänden auf.
    Vor der Tür blieb sie stehen.
    Sie legte die linke Hand auf die Klmke. Zugleich drehte sie ihren Körper nach rechts, um das Ohr gegen die Tür drücken zu können.
    Zu hören war nichts.
    Sie schnaufte die Atemluft aus. Furcht kroch in ihr hoch, aber sie wußte auch, daß die Tür die einzige Möglichkeit war, dieses Zimmer zu verlassen.
    Sarah gab sich selbst einen Ruck – und öffnete die Tür. Der erste Blick nach draußen.
    Die Beruhigung. Zumindest die vordergründige, denn niemand lauerte auf sie.
    Um zu den eigentlichen Arbeitsund Ausstellungsräumen des Archivs zu gelangen, mußte sie über einen schmalen Flur und dorthin gehen, wo es etwas heller war. Der Flur war nicht sehr lang. Mit ein paar Schritten würde sie ihn hinter sich bringen.
    Da Lady Sarah eine sehr korrekte Person war, schloß sie die Tür hinter sich. Aber sie ging nicht normal, sondern sie schlich über den Flur. Sie tat es einfach aus einem Gefühl heraus, denn das Geräusch hatte sie nicht vergessen.
    Es war niemand da.
    Auch der höfliche Mann nicht, der ihr so geholfen hatte. Die Stille empfand Lady Sarah wie eine Last. Sie kämpfte gegen die Bilder an, die vor ihren Augen entstanden. Sie sah sich selbst wie eine Hexe behandelt werden, so sehr hatte sie das Lesen der alten Chroniken beeindruckt, aber sie bekam nichts zu Gesicht.
    Es blieb still.
    Nach den ersten drei Schritten ging es ihr besser. Sie ging auch schneller und nicht so lautlos. Lady Sarah wollte so schnell wie möglich an die frische Luft, eilte weiter und erreichte das Ende des schmalen Flurs. Sie trat in eine hellere Umgebung hinein, schaute sich dort um und wollte sich dem Ausgang zuwenden.
    Da sah sie ihn!
    Wo er gelauert hatte, wußte sie nicht. Sicherlich teilweise im Schatten einer Türnische, doch den hatte er verlassen. Er trug seine Sense wie immer über der Schulter, aber auch seine zweite Schulter war nicht frei, denn dort lag die bewegungslose Gestalt des Mannes, der Sarah eingelassen hatte.
    Die Schritte des Sensenmanns waren nicht zu hören. Dafür nahm sie ein anderes Geräusch wahr, das in regelmäßigen Abständen zu hören war und den Weg des Unheimlichen begleitete.
    Klatsch… klatsch… klatsch…
    Sie schaute zu Boden.
    Blutstropfen hatten ihn erreicht und waren dort geplatzt. Wieder fiel ein Tropfen zu Boden, und Lady Sarah sah jetzt, daß er aus der Kehle des Mannes gefallen war…
    Es kam selten vor, daß eine forsche Frau wie Sarah nicht mehr in der Lage war, etwas zu tun. Es war ihr auch unmöglich, Gedanken zu sammeln, sie konnte nur diese grauenvolle Gestalt anstarren.
    So nah und auch so deutlich hatte sie den Sensenmann noch nie gesehen. Obwohl die

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