Der Sergeant
stellte sie Teller und Becher vor sich auf den Boden.
Und dann sah ich, wie sie mit der Rechten auf der Otis Tennessee abgewandten Seite in den Stiefelschaft griff, der von ihrem geteilten Reitrock nicht mehr verdeckt wurde.
Und dann spürte Otis Tennessee plötzlich die Spitze eines Dolches unter dem Kinn.
Da er es hochnehmen musste, um nicht so sehr von der nadelscharfen Spitze gestochen zu werden, knallte sein Hinterkopf gegen den eisernen Radreifen.
Er fluchte bösartig, doch er saß ganz still.
Und alle anderen Männer im Camp verhielten sich ebenfalls still. Wir alle beobachteten die Szene.
Und wir alle hörten Caroline ruhig sagen: »Jetzt machen Sie die Ohren auf, Mister! Sie sind ein Wilder wie dort draußen die Apachen. Aber bei Ihnen ist es schlimmer, denn Sie wurden gewiss mal von christlichen Eltern erzogen. Die Apachen aber mussten stets ums Überleben kämpfen. Mann, bleiben Sie mir vom Leib. Hauen Sie ab! Los!«
Sie nahm nun mit einer schnellen Bewegung die Messerspitze unter seinem Kinn weg und stieß sie ihm leicht in die Seite.
So konnte er auf seinem Hosenboden von ihr wegrutschen, bis er mehr als eine Armlänge entfernt war. Fluchend richtete er sich auf.
Und dann begann er sie stehend zu beschimpfen. Er machte Anstalten, nach ihr zu treten, vielleicht, um ihr das Messer aus der Hand zu prellen.
Ich sagte ruhig aus dem Hintergrund: »Mach nur weiter, Otis, mein guter Amigo! Nur weiter so!«
Er verstand meine Warnung. Ich brauchte ihm nicht mit Worten zu drohen. Es lag alles in meiner trockenen Stimme.
Er wandte sich mir zu.
»Aha«, sagte er, »sie hat all ihre Chips schon auf dich gesetzt! Sie hat sich schon den Burschen geangelt, von dem sie sich am meisten verspricht. Jim Cane, du bist jetzt auch nur ein Deserteur wie wir alle. Du bist nicht mehr der makellose Master Sergeant. Wir kämpften schon dreimal miteinander, doch bisher stets nur mit den Fäusten. Aber ich kann dich mit dem Revolver schlagen. Daran solltest du denken, bevor du hier zu große Töne spuckst. Ich leg dich im Revolverkampf um, Mister. In jedem Revolverkampf schaffe ich dich!«
Den letzten Satz rief er wie eine Herausforderung. Er musste sich vor den anderen Strolchen einen guten Abgang verschaffen. Und das tat er mit seiner Herausforderung. Denn er wusste, dass ich sie nicht annehmen würde, noch nicht. Wir hatten einander zu sehr nötig. Wir brauchten uns. Wir konnten es uns nicht leisten, uns gegenseitig umzulegen.
* * *
Die Nacht verging ohne Zwischenfälle. Es war so, als gäbe es keine Apachen auf dieser Erde.
Und dennoch sagte mir mein Ahnungsvermögen, dass sie da waren. Mein Instinkt war einfach zu gut, um getäuscht werden zu können. Irgendwo in der Nacht lauerten sie, beobachteten uns und warteten, warteten auf Verstärkungen, um uns dann endlich wieder angreifen zu können.
Ich übernahm mit Ken Buchanan und Will Banner die letzte Wache von Mitternacht bis zum Morgengrauen.
Einmal, als ich an dem Wagen vorbeikam, in dem Caroline ihr Lager hatte, und dicht an der Wagenwand verhielt, um mich nicht als Silhouette gegen den helleren Himmel abzuheben, da setzte sie sich drinnen auf und legte ihr Kinn auf die obere Kante des Wagenkastens.
»Jim«, sagte sie leise.
Ich lehnte mich mit beiden Schulterblättern an den Wagen. Und ihr Mund war nun dicht bei meinem Ohr.
»Ja, Caroline? Warum schläfst du nicht, Grünauge?«, flüsterte ich.
Sie schob ihre Hand über den Wagenkastenrand, bis diese auf meiner Schulter lag und die Wärme ihrer Finger durch den Stoff meines Hemdes drang.
»Dieses Rudel von Strolchen und Goldwölfen«, sagte sie, »keiner wird dich von hinten angreifen können, wenn ich in der Nähe bin. Ich kann mit dem Colt wahrscheinlich schneller und besser schießen als die meisten von ihnen. Du kannst dich nicht nur auf Ken Buchanan verlassen, Jim. Das wollte ich dir sagen. Denn du musst auch manchmal entspannt schlafen können. Du musst bis tief in dein Unterbewusstsein wissen, dass ich dann wache.«
»Danke«, murmelte ich. »Grünauge, du bist ein Engel. Und ich finde immer mehr heraus, dass du nur äußerlich so spröde und beherrscht bist, Caroline. Du bist ja eine richtige Frau – voller Wärme und all den anderen guten Dingen. Deine Wege waren rau, aber du bist im Kern noch voller…«
»Genug«, sagte sie. »Ich will mich von dir nicht mit süßen Worten betrunken machen lassen. Du bist gefährlich, Mister. Denn du willst zuerst die Seele. Du bist nicht so dumm
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