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Der Serienmörder von Paris (German Edition)

Der Serienmörder von Paris (German Edition)

Titel: Der Serienmörder von Paris (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David King
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spezialisiert und ein Netzwerk aufgebaut, das alliierten Fliegern die Flucht ermöglichte.
    Petiot hatte den Mann angeblich geschützt und sich sogar als sein Doppelgänger ausgegeben. Die Behauptung mutete nun wirklich merkwürdig an, wenn man bedachte, dass der 25-jährige Charbonneaux etwa halb so alt wie Petiot war und ihm überhaupt nicht ähnelte. Der Arzt sagte aus, sogar Verräter ermordet zu haben, die Charbonneaux’ Organisation infiltrieren wollten, obwohl diese „Tatsache“ bei näherer Untersuchung nicht bestätigt werden konnte, da der Mann ebenfalls gestorben war. Im Oktober 1943 flüchtete Charbonneaux vor dem gefürchteten belgischen Folterknecht Christian Masuy (der die Foltermethode des Wasserbads „erfand“) und wurde dabei von einer Kugel in den Oberschenkel getroffen. Er humpelte zu einem nahegelegenen Gebäude, schaffte es, sich bis in den fünften Stock zu quälen, und versuchte über das Dach oder die Regenrinne zu entkommen. Masuy und seine Männer waren ihm auf den Fersen. Charbonneaux sprang vom Dach und riss Masuy beinahe mit in die Tiefe.
    Petiot ließ sich weder weiter über den unbekannten Mann aus London aus, der ihn angeblich ausbildete, noch sprach er über Details des Trainings. Er führte lediglich an, dass dessen Ratschläge ihn zur Erfindung eines einfachen und billigen „Plastiksprengstoffs“ inspiriert hätten, bestehend aus mit Treibstoff und Schwefelsäure gefüllten Flaschen. Die Sprengsätze seien in einem Zug der Nazis versteckt worden, wobei die mit einem hauchdünnen Seil an der Decke angebrachten verkorkten Flaschen durch die Erschütterungen der Fahrt auf dem Boden zerschellten und eine schwere Explosion auslösten. Petiot behauptete auch, dass der Mann aus London ihn mit dem Résistance-Netzwerk „Agir“ bekannt gemacht habe.
    Yonnet und Brouard kannten die Splittergruppe, die sich im Widerstand oft bewährt hatte. Sie wurde von Michel Hollard gegründet, einem französischen Geschäftsmann und Besitzer der Mineralölkette Maison Gazogène Autobloc. Agir rekrutierte viele hohe Bahnbeamte, Hotelbesitzer, Hafenvorarbeiter und eifrige Patrioten, die Informationen über militärische Stellungen und Truppenbewegungen lieferten. Zu Hochzeiten spionierten über 100 Agenten für Agir. Die Organisation identifizierte die exakten Standorte von Gefechtsstellungen der Nazis an der Küste, stellte Abfahrtzeiten von Schiffen fest und beschaffte sogar die Pläne für neue, mit Wasserstoffperoxid betriebene Torpedos. Der aufsehenerregendste Coup war jedoch die Auskundschaftung von 100 V-1-Startrampen im Norden Frankreichs. Einem Agenten gelang ein besonders tollkühner Streich. Er stahl einem deutschen Ingenieur die Blaupause einer Startrampe aus der Kitteltasche, während der auf der Toilette saß und Zeitung las. Die Information stellte sich für London als unbezahlbar heraus und verhinderte zahlreiche Raketenangriffe und das damit verbundene Leid. Später gab Eisenhower bekannt, dass exakt diese Blaupause dabei geholfen habe, den D-Day nicht hinauszuzögern oder gar ganz abzublasen.
    Allerdings kannte kein einziger Agir-Kämpfer Marcel Petiots Namen oder hatte von seinen angeblichen Résistance-Aktivitäten gehört. Auch die Antworten des Arztes auf Yonnets und Brouards Fragen stellten sich als äußerst fragwürdig heraus. Manchmal verfügte er über scheinbar exakte Kenntnisse der Résistance, während er an anderer Stelle die grundlegendsten Fakten durcheinanderbrachte. Yonnet und Brouard empfanden zudem Petiots Codenummer „46“ als lächerlich niedrig, bezogen auf die Geschichte der Widerstandskämpfer. Sie fragten Petiot, wer ihm denn die Nummer zugeteilt habe. Petiots Antwort – dass er sich nicht mehr daran erinnern könne – war ein eindeutiger Fehler. Mitglieder der Résistance wurden trainiert, bei einem Verhör mit einer Standardfloskel zu entgegnen: „Ein Mann, der nichts anderes als das gemacht hat.“

WÄHREND WIR HIER DEBATTIEREN, FALLEN DIE WÜRFEL.
    (Jean-Paul Sartre)
    W ährend Gollety das Petiot-Dossier zusammenstellte, eröffnete Albert Camus seinem Kollegen Jean-Paul Sartre eine einmalige Gelegenheit. Das US-Außenministerium suchte acht französische Journalisten und ehemalige Mitglieder der Résistance für eine siebenwöchige Reise durch die USA, einschließlich Übernahme aller Kosten. Camus fragte Sartre, ob er daran interessiert sei, die Zeitschrift Combat zu vertreten. „Scheiße! Die werden mich da überfahren“, amüsierte sich der

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