Der Serienmörder von Paris (German Edition)
Polizei Emilie Bézayrie bezüglich ihres Kontakts mit Petiot während der Monate der Flucht. Dank eines Freundes erfuhr sie im Bistro, wo sich der Arzt versteckte. Es waren lediglich einige Besuche, bei denen Petiot ihren dreieinhalbjährigen Sohn untersuchte. Sie sprachen nie über die Rue Le Sueur. „Ich hegte damals die feste Überzeugung, dass er hinsichtlich der von den Zeitungen erhobenen Behauptungen unschuldig war.“ Später gab sie jedoch Gespräche zu, bei denen es sich um „den Krieg, die Deutschen und möglicherweise die Polizeijagd auf ihn handelte“. Die Frau bestand aber darauf, weder eine Botschaft von Georgette noch von einer anderen Person übermittelt zu haben.
Bei den vorgerichtlichen Verhören stellte sich heraus, dass sich Petiots Version der Ereignisse vom 11. März substanziell vom Polizeibericht unterschied: Nach dem Anruf in seinem Appartement sei er unverzüglich mit dem Fahrrad zu seinem Haus gefahren, das er in zwölf und nicht in 30 Minuten erreichte. Die Polizei und die Feuerwehr hätten sich die Geschichte der späten Ankunft als Rechtfertigung zurechtgesponnen. Damit wollten sie die hastige Entscheidung entschuldigen, in das Gebäude eingedrungen zu sein.
Petiot verneinte, sich jemals als sein Bruder ausgegeben zu haben. Er habe sich als gerade aus dem Gefängnis entlassener Résistance-Kämpfer vorgestellt. Zu dem Zeitpunkt wollte er angeblich auf die Ankunft des Kommissars warten, doch ein Streifenpolizist, der sich als „wahrer Patriot“ entpuppte, habe ihm geraten, den Tatort zu verlassen, da er nicht gewusst habe, in welch einem engen Verhältnis sein Vorgesetzter zu den Nazis stand. Er habe ihm angeboten, ihn zu decken, gab Petiot an. Er habe ihn instruiert, am folgenden Morgen bei der Polizei anzurufen und nach einem „Monsieur Wilhelm oder William“ zu fragen. Joseph Teyssiers mittlerer Name lautete William.
Als Petiot der Aufforderung nachkam, verriet man ihm angeblich, dass sich die Deutschen für den Fall interessierten und er so schnell wie möglich fliehen müsse. Petiot befolgte den Ratschlag. Er verbrachte die Nacht bei einem noch nicht identifizierten Freund, woraufhin ihn die Fly-Tox-Kameraden zu Redoutés Wohnung brachten. Dort hielt sich Petiot die nächsten fünf Monate auf, nicht weit entfernt von dem Haus des vermeintlichen Opfers Dr. Paul Braunberger und den Bars und Cafés, in denen Edmond Pintard Fluchtwillige ausspähte.
Die von den Nazis kontrollierte Presse legte die Geschichte zu ihrem Nutzen aus und verleumdete Petiot mit einer Vielzahl von sensationsheischenden Lügen. In die Ecke getrieben und kompromittiert, schnitt die Résistance den Arzt von wichtigen Informationen ab. Dr. Eugène stand nun mit dem Rücken zur Wand. Unter seinem neuen Codenamen „Special 21“ musste er sich mit einer Reihe von nebensächlichen Tätigkeiten begnügen, Traktate verfassen und mit monotonen administrativen Aufgaben abplagen. Petiot war unglaublich gelangweilt und frustriert.
Die Befreiung rettete Paris und auch ihn selbst, wie Petiot angab. Als sich die Hauptstadt im August zum Kampf gegen die Nazis erhob, erfüllte das Petiot mit neuem Elan. Er behauptete, sich aus dem Versteck entfernt und an den Kämpfen teilgenommen zu haben. Dabei sammelte er einige „Souvenirs“, wie deutsche Handgranaten, die Waffe eines gefallenen Kameraden der Résistance und, wie die Polizei bereits entdeckt hatte, eine deutsche Trommel vom Place de la République. Anfang September wandte er sich an einige Büros der Résistance, darauf hoffend, die Kontakte mit Pierre Brossolette von de Gaulles Geheimdienst BCRA (der sich zu der Zeit DGER nannte) aufzufrischen. Brossolette konnte Petiots „Arbeit“ für die Résistance in der Rue Le Sueur erklären und half dabei, seine Frau und den Bruder aus dem Gefängnis zu holen. Darüber hinaus suchte er für ihn eine dauerhafte Anstellung beim Geheimdienst.
Petiot sagte, es sei sein Herzenswunsch gewesen, dem Land zu dienen, der ihn dazu zwang, die falsche Identität von Dr. François Wetterwald alias Capitaine Henri Valeri anzunehmen.
Als 33-Jähriger – wie im Pass von Valeri stand – hoffte er, direkt in die Handlungen eingreifen zu können, was einem 47-Jährigen (so sein wahres Alter) verwehrt blieb. Er erklärte gegenüber den FFL-Kameraden, dass er die falsche Identität angenommen habe, um ehemaligen Gestapo-Agenten, Nazi-Informanten und anderen Feinden zu entkommen, die ihn wegen seiner Verdienste für die Résistance
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