Der Serienmörder von Paris (German Edition)
konsultierte Rechtsanwalt René Floriot abgeraten habe. Sie solle sich lieber „zurückhalten“.
Danach nahm Floriot Kahans Geschichte und ihre Motive genau unter die Lupe, gefolgt von einer hitzigen Debatte über ihre angebliche Tätigkeit für die Résistance. Plötzlich begab sich die Dame in Abwehrhaltung. Sie schlug mit der Faust auf das Geländer des Zeugenstands und wirkte immer aufgeregter, wobei ihr Akzent deutlicher hervortrat. Dupin eilte der Frau zur Hilfe, wobei er bemerkte, dass die Polizei keinerlei Hinweise gefunden habe, die gegen ihre Behauptung sprächen, die Résistance unterstützt zu haben.
Floriot lenkte das Verhör auf einen Polizeibericht vom 30. November 1945, der Eryane Kahan wie folgt beschrieb: „Eine Abenteurerin … die geschickt lügt.“ In den Verhören, die nach der Festnahme als angebliche Komplizin Petiots im Herbst 1944 folgten, war es ihr unmöglich, eine einzige Person aus der Résistance zu nennen. Dabei musste bedacht werden, dass sich nach der Befreiung genügend Leute als ehemalige Widerstandskämpfer ausgaben. Kommissar Poirier vermerkte, dass man Kahan nur unter „großen Schwierigkeiten“ aufgefunden habe, da sie unter dem falschen Namen Odette Motte im 16. Arrondissement lebte.
Floriot wies auf eine weitere sehr schwere Anschuldigung hin. Henri Lafont, der ehemalige Leiter der französischen Gestapo, hatte Kahan aus einer Reihe von Fotos als die Frau herausgepickt, die seine Bande über die Aktivitäten und Aufenthaltsorte anderer Juden informiert hatte. In einem am 21. Dezember 1944 unterzeichneten Protokoll machte Lafont die Aussage, dass Kahan „zu uns kam und uns von Fluchtwegen nach Spanien erzählte, die ein Arzt arrangierte“.
Es wurde ein langes Kreuzverhör, kurzfristig unterbrochen von einem „Gläserduell“, da Floriot und Kahan in regelmäßigen Abständen ihre Brillen absetzten und gründlich reinigten. Zuerst richtete der Verteidiger seine Aufmerksamkeit auf die Tatsache, dass Kahan für jede an Dr. Petiot vermittelte Person eine Kommission erhalten hatte. Er ließ nicht locker und hetzte die Zeugin regelrecht, dabei Polizeiberichte und Zeugenaussagen verschiedener Personen zitierend. Doch Kahan knickte nicht ein, woraufhin sich ein wütendes Wortgefecht zwischen Verteidigung und Staatsanwaltschaft entfachte. Von beiden Seiten hagelte es nur so von Beleidigungen, Verunglimpfungen und Unterstellungen. Leser sah sich gezwungen, den Prozess erneut zu unterbrechen. Als sich die Juristen nach der Pause wieder einfanden, nahm Dupin seine Kommentare zurück, die möglicherweise das „berechtigte Empfinden meines Opponenten gekränkt“ haben könnten.
Floriot nickte kurz und begann dann eine Reihe schnell aufeinanderfolgender Fragen zu stellen, wobei er darauf abzielte, dass Kahan doch eine enge Beziehung zu den deutschen Behörden unterhalten hatte. Er befragte sie zu ihrem Freund, einem deutschen Offizier, und zu der Tatsache, dass man sie in einem deutschen Lastkraftwagen gesehen hatte, was Kahan nicht leugnen konnte. Das Haus, in dem sie gewohnt hatte, sei regelmäßig von drei oder vier deutschen Offizieren aufgesucht worden. Floriot erwähnte auch die Aussage einer ehemaligen Freundin, die angegeben hatte, dass Kahan die Verhaftung ihres Mannes durch die Nazis initiiert habe. Kahan konterte, davon bislang noch nie etwas gehört zu haben.
Als Floriot Madame Cadorets Aussage zitierte, besonders die Passage, in der sie sich besorgt darüber gezeigt hatte, dass Kahan „von einer ganzen Reihe deutscher Soldaten gegrüßt wurde“, entgegnete die Zeugin, dass es sich ganz einfach um ihren Freund Herbert Welsing und einen oder zwei seiner Kameraden von der Luftwaffe gehandelt habe. Petiots Verteidiger merkte an, dass Kahans Erinnerung plötzlich klar und präsent zu sein scheine.
Es gab dann noch eine letzte Frage: Kahan war der „Spionage für den Feind“ beschuldigt worden (Artikel 75 des französischen Strafgesetzbuchs), doch was war mit ihrem Dossier geschehen?
Kahan verneinte jegliche Kenntnis einer solchen Akte. Jean-François Dominique, der für La Républic du Sud-Ouest aus Toulouse vom Prozess berichtete, hatte den Eindruck, dass Kahan die Frage verunsichert habe.
„Da Sie scheinbar alles vergessen haben, möchte ich Sie an die Aktennummer 16.582 erinnern.“
Der Staatsanwalt notierte sich die Nummer mit einer siegessicheren Geste, damit die Geschworenen seine Absicht bemerkten, dies zu widerlegen. Der Richter gab die Anweisung,
Weitere Kostenlose Bücher