Der Serienmörder von Paris (German Edition)
aus:
Wenn Sannié Initialen entziffern kann, weist er darauf hin. Betrachten Sie die Etiketten der Kleidungsstücke von Nummer 35. Jemand versuchte, die eingestickten Initialen von zwei Hemden zu entfernen. Sannié schreibt an anderer Stelle in seinem Gutachten: ‚Die Initialen, die man auf der linken Seite in Gürtelhöhe fand, sind entfernt worden. Wahrscheinlich waren es A. E.‘ Wenn er sich sicher war, vermerkte es Sannié: ‚Die Buchstaben sind …‘ Falls er sich weniger sicher war, benutzt er die Formulierung: ‚Es ist wahrscheinlich …‘ In dem Gutachten lässt er sich nicht zu Mutmaßungen über das Braunberger-Hemd hinreißen [Koffer mit dem Siegel 44]. Einige Initialen wurden entfernt – das streite ich nicht ab. Jedoch ist eine sichere Aussage hinsichtlich P. B. nicht möglich. Es könnte sich um die Buchstaben P. B. handeln, allerdings kämen auch eine Reihe anderer Kombinationen in Frage.
Danach zeigte Floriot „etwas überaus Erstaunliches“ auf. Madame Braunberger hatte der Polizei während einer Vernehmung erzählt, dass ihr Mann einen Hut des Designers Gélot besessen habe. Als die Polizei eine zu ihrer Beschreibung passende Kopfbedeckung entdeckt habe, habe sich dort das Label eines anderen Hutmachers gefunden, nämlich „Berteil, Rue du 4-Septembre“. Braunberger bestand allerdings auf der Aussage, dass der Hut ihrem Mann gehörte, denn er hatte ihn 1942 bei Gélot reparieren lassen, da das Geschäft in der Nähe lag.
Floriot versuchte nun die Aussage zu widerlegen. Hüte von Gélot trügen die Etiketten stets im oberen Teil der Innenseite, und somit hätte es nicht entfernt werden müssen, auch wenn das Lederband ausgewechselt worden wäre. Da das Maison Gélot dafür bekannt war, nur Einzelteile anzufertigen, hatte sich Floriot den von ihn benutzten Stumpen zukommen lassen, auf dem stand: „Doktor Braunberger, Faubourg Saint-Denis 207, 18. März 1937.“
Nun lud Floriot die Geschworenen zu einem Vergleich ein und zwar zwischen der Gélot-Form und dem Hut, der angeblich Braunberger gehörte. Es sei laut dem Verteidiger „ein Desaster“, denn die fragliche Kopfbedeckung sei viel zu breit und viel zu kurz, als dass sie Monsieur Braunberger hätte passen können. Um ganz genau zu sein, war der Hut 2,5 Zentimeter zu groß. „Für einen Mann, gewohnt daran, nur Einzelanfertigungen zu tragen“, bemerkte Floriot, „ist ein Spielraum von 2,5 Zentimetern erheblich.“
Als Nächstes erinnerte Floriot das Gericht daran, dass Braunbergers Hut nach Gélots Angaben gemustert gewesen, wohingegen der Hut im Saal einfarbig sei. Als man Gélot zur Bestätigung der Aussage berief, kam eine erstaunliche Information ans Tageslicht. Der Hutmacher hatte der Staatsanwaltschaft bereits ein Muster des Materials bereitgestellt! „Ein Muster?“, fragte Floriot ungläubig. Die Anklage hatte der Verteidigung diese Information vorenthalten.
„Meine Herren Geschworenen“, erhob Floriot die Stimme und zog dabei den Stoff von Gélot aus der Robe. „Bitte vergleichen Sie doch das Muster mit dem Hut.“ Die Probe war einfarbig und dünn, hatte eine raue Oberfläche und fühlte sich meliert an. „Sie ähneln sich wie Tag und Nacht.“
Kurz nach dieser Demonstration, die der Korrespondent Géo London mit dem Zitat „Hut ab vor dem Hattrick“ bewertete, gelangte Floriot ans Ende des Plädoyers: War Petiot, der Arzt, der ein an Leukämie erkranktes Kind mehrere Tage und Nächte ohne einen einzigen Sou behandelt hatte, in der Lage, den kleinen René Kneller zu ermorden? War dieser Résistance-Kämpfer, der von der Gestapo verhaftet worden war, dem man die Zähne bis auf drei Millimeter heruntergefeilt hatte, dessen Kopf so lange gequetscht worden war, bis er aus Nase, Mund und Ohren blutete, in der Lage, vor den Nazis fliehende Juden zu töten? Der Patriot und Held des Widerstands Lieutenant Héritier habe dem Gericht unter Eid mitgeteilt, dass, egal wie das Urteil ausfallen würde, er immer stolz darauf sei, der Zellengenosse von Dr. Petiot gewesen zu sein.
„Ich lege das Schicksal Petiots nun in Ihre Hände“, sagte Floriot mit beschwichtigender Stimme und beendete damit ein sechseinhalbstündiges Plädoyer, das längste seiner gesamten Karriere. Die Geschworenen – und da war er sich sicher – würden seinen Mandanten freisprechen.
Floriots Zusammenfassung wurde mit „Standing Ovations“ honoriert. Der Korrespondent der Associated Press bezeichnete sie „als das bedeutendste Plädoyer in
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