Der Serienmörder von Paris (German Edition)
Führungspersönlichkeiten oder Mitgliedern der Oberschicht gesucht werden.“ Die Organisation konnte sich der Unterstützung einer Botschaft sicher sein und war, wie der Bericht bemerkte, „außergewöhnlich effizient“.
Um die Entlassung aus dem Konzentrationslager zu ermöglichen, zwang man Dreyfus’ Frau zur Zahlung eines Lösegeldes. Sie musste 100.000 Francs entrichten, damit man überhaupt das Dossier öffnete, und eine Reihe weiterer „Gebühren“ für „unerwartete Kosten“. Letztendlich zahlte sie die beinahe unglaubliche Summe von vier Millionen Francs. Bei seiner Entlassung zwang man Yvan Dreyfus zur Unterschrift unter zwei wichtige Dokumente.
Im ersten verpflichtete er sich gegenüber den deutschen Behörden zur Mitteilung aller Informationen über die Geheimorganisation, im zweiten leistete er einen Eid, niemals auf irgendeine Art und Weise gegen das Dritte Reich tätig zu werden. Paulette Dreyfus, die man in dem Glauben gelassen hatte, das Lösegeld sichere ihrem Mann bedingungslose Freiheit, war entsetzt. Guélin versicherte der verzweifelten Frau, es handle sich lediglich um eine Formalität zur Beruhigung der Gestapo. Dann bat er sie um die Zahlung von zusätzlich 700.000 Francs!
Das Schicksal des standhaften Patrioten Yvan Dreyfus lag nun allein in den Händen seiner Feinde. Der einzige Weg, um dem Konzentrationslager zu entfliehen, bestand in der Unterzeichnung der Papiere, die die Männer in den braunen Lederjacken vor ihm ausbreiteten. Erschwerend kam hinzu, dass seine Cousins noch von den Deutschen festgehalten wurden und man seine Frau zum Abschluss der Verhandlungen von Lyon nach Paris gelockt hatte. Die deutschen Unterhändler gaben Dreyfus unmissverständlich zu verstehen, dass die Weigerung zu kooperieren als feindselige Haltung gegenüber dem Dritten Reich gewertet würde.
Am 9. April 1943 unterzeichnete er die Dokumente, und kurz danach zahlte seine Frau nahe der Métro-Station Madeleine die letzte Rate des Lösegelds. Man entließ Dreyfus, und die beiden feierten seine Rettung mit einem schmackhaften Abendessen, wobei Guélin als ungebetener Gast auftauchte. Am 18. Mai 1943 forderten zwei Gestapo-Agenten, dass Dreyfus seinen Teil der Abmachung erfülle.
Zu dem Zeitpunkt hatte Guélin für Dreyfus schon ein Treffen mit dem angeblichen Anführer des Fluchthelferrings vorbereitet, einem gewissen „Dr. Eugène“. Er begleitete Dreyfus zu dem Gespräch, das tatsächlich in einem Friseursalon in der Rue des Mathurins stattfand. Guélin beschrieb den Abend so: „Wir schlichen durch ein dreckiges und dunkles Treppenhaus und durchquerten mehrere Räume des Friseursalons, bis wir in das Zimmer kamen, in dem sich Monsieur Fourrier aufhielt … Dreyfus fragte, ob er ihm einen Reisepass beschaffen könne, woraufhin Fourrier den vermeintlich Fluchtwilligen in einen angrenzenden Raum eskortierte, wo ich den Schatten eines recht großen Mannes ausmachte, der sich zwischen den Vorhängen abbildete.“
Man informierte Dreyfus, dass dieses Treffen am Anfang einer ganzen Reihe von Begegnungen stünde, da die Organisation seine Referenzen und die Glaubwürdigkeit des Ersuchens verifizieren müsse. Zum nächsten Treffen solle er zehn Fotos für den Pass und die Papiere mitbringen. Man beauftragte ihn, die Wertgegenstände in zwei Koffern zu verstauen. Die Flucht würde ihn 200.000 Francs kosten.
Nach den Überprüfungen seines Hintergrunds, die nach dem Gestapo-Bericht sehr sorgfältig ausfielen, obwohl wahrscheinlich nur zwei oder drei Erkundigungen eingeholt wurden, teilte man Dreyfus als Termin für seine Flucht aus Paris den 20. Mai 1943 mit. Er sollte an dem Tag im Salon erscheinen und danach in ein Geheimversteck gebracht werden, um dort auf die Abreise zu warten und geimpft zu werden. Die Agenten der Gestapo planten, ihm zu folgen und die Fluchthelfer bei der Übergabe des Geldes auf frischer Tat zu ertappen. War das erst einmal erledigt, konnten die Agenten dem Bericht nach dazu übergehen, das Hauptquartier zu durchsuchen, die Personen zu identifizieren, die die gefälschten Papiere herstellten, und sich natürlich des Vermögens der Organisation zu bemächtigen, das sich nach Angaben auf „mehrere Millionen Francs“ belief.
Zum abgesprochenen Zeitpunkt traf sich Dreyfus mit Dr. Eugène. Schon nach wenigen Minuten verließen beide den Friseursalon und gingen in Richtung des Place de la Concorde. Irgendwo auf den Champs-Élysées, wahrscheinlich in einer Métro-Station, gelang es
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