Der siebente Sohn
ja auf Schulen erzogen wurden, wo man nicht viel von…«
»An der Universität von Edinburgh. Nicht besser wissen? Also, ich…«
»Von Zaubern und Zeichen, Sprüchen und Beschwörungen und dergleichen.«
»Ich weiß sehr wohl, daß die Behauptung, solch finstere Kräfte zu benutzen, in den Ländern des Lordprotektors ein schweres Vergehen darstellt, das mit dem Feuertod bestraft wird, wiewohl Eure Lordschaft in seiner Barmherzigkeit diejenigen nur verbannt, die…«
»Na, seht Ihr, genau das meine ich!« erwiderte sie triumphierend. »Dann bringt man Euch so was ja wohl kaum auf der Universität bei, nicht wahr? Aber wir leben hier nun einmal so, und es gleich Aberglauben zu nennen…«
»Ich habe es Hysterie genannt.«
»Das ändert nichts an der Tatsache, daß es funktioniert.«
»Ich habe durchaus begriffen, daß Ihr glaubt, es würde funktionieren«, antwortete Thrower geduldig. »Aber alles auf der Welt ist entweder eine Frage der Wunder oder der Wissenschaft. In früheren Zeiten kamen die Wunder von Gott, aber diese Zeiten sind vorbei. Heute müssen wir uns an die Wissenschaft und nicht an die Magie wenden, wenn wir Werkzeuge erhalten wollen, mit denen wir die Welt verändern können.«
An ihrer starren Miene erkannte Thrower, daß er nicht viel Eindruck auf sie machte.
»Wissenschaft!« sagte sie. »So wie das Betasten von Kopfhöckern?«
Er bezweifelte, daß sie sich sonderlich viel Mühe gegeben hatte, ihre Verachtung zu verbergen. »Die Phrenologie«, erwiderte er kühl, »ist noch eine sehr junge Wissenschaft, und sie hat gewiß auch noch viele Mängel, aber ich versuche, festzustellen…«
Sie lachte auf – ein mädchenhaftes Lachen, das sie sehr viel jünger erscheinen ließ als eine Frau, die vierzehn Kinder geboren hatte. »Verzeiht, Reverend Thrower, aber mir fiel gerade ein, wie Measure es ›mit der Rute nach Gehirnen suchen‹ nannte und wie er meinte, daß Ihr damit in dieser Gegend wohl nur wenig Erfolg haben würdet.«
Wahre Worte, dachte Reverend Thrower, aber er war klug genug, um es nicht auszusprechen. »Mistress Faith, ich habe gesprochen, wie ich es tat, damit die Leute begreifen, daß es in der Welt von heute überlegenere Denkweisen gibt und daß wir uns nicht länger von den Illusionen fesseln lassen müssen, die…«
Doch es hatte keinen Zweck. Ihre Geduld war am Ende. »Mein Junge wird gleich noch einen Stoß von einem Holzbalken abbekommen, wenn er die anderen Jungen nicht in Frieden läßt, Reverend, also müßt Ihr mich wohl entschuldigen.«
Und dann ging sie, um sich auf den sechsjährigen Alvin und den dreijährigen Calvin zu stürzen wie die Geißel Gottes persönlich. Kaum jemand konnte so laut und leidenschaftlich schimpfen wie sie. Auch er konnte sie noch schreien hören, obschon der Wind in entgegengesetzte Richtung blies.
Welche Ignoranz, dachte Thrower bei sich. Ich werde hier nicht nur als Mann Gottes unter Fast-Heiden gebraucht, sondern auch als Mann der Wissenschaft unter abergläubischen Toren. Irgend jemand flüstert einen Fluch, und dann, sechs Monate später, geschieht irgend etwas Schlimmes mit dem Opfer – das tut es immer, jedem widerfährt mindestens zweimal im Jahr etwas Schlimmes –, und dann sind sie völlig sicher, daß ihr Fluch eine böse Wirkung hatte. Post hoc ergo propter hoc.
In Britannien lernten die Studenten schon im Trivium, solche elementaren Fehler der Logik zu vermeiden. Hier dagegen war so etwas eine Lebensart. Der Lordprotektor hatte völlig recht, jene zu bestrafen, die in Britannien die magischen Künste ausübten, wenngleich es Thrower lieber gewesen wäre, wenn er es wegen Dummheit und nicht wegen Ketzerei getan hätte. Es als Ketzerei zu behandeln, verlieh der Sache viel zuviel Gewicht, so als wäre sie etwas, vor dem man sich eher fürchten mußte, anstatt sie zu verachten.
Vor drei Jahren, gleich nachdem ihm der Doktor der Theologie verliehen worden war, hatte Thrower plötzlich erkannt, wieviel Schaden der Lordprotektor tatsächlich anrichtete. Er erinnerte sich daran als einen Wendepunkt seines Lebens; denn war es nicht auch das erste Mal gewesen, daß der Besucher zu ihm gekommen war? Es war in seinem kleinen Zimmer im Pfarrhaus von St. James Church in Belfast gewesen, wo er als Priester in Stellung war, seine erste Stelle nach der Ordination. Er hatte gerade eine Weltkarte betrachtet, als sein Blick auf Amerika geschweift war, dorthin, wo Pennsylvania deutlich eingezeichnet gewesen war, wie es sich von den
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