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Der siebente Sohn

Der siebente Sohn

Titel: Der siebente Sohn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Orson Scott Card
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dieses Lachen unterdrücken, mußte so ruhig atmen, wie er nur konnte. Sein ganzer Körper zitterte bei dem Versuch, das Lachen aufzuhalten.
    Es war jemand im Raum.
    Er konnte nichts hören, und als er die Augen öffnete, konnte er auch niemanden erkennen. Doch er wußte, daß jemand da war. Aber nicht durch die Tür eingetreten, also mußte der Jemand durch das offene Fenster gekommen sein. Das ist doch einfach nur albern, sagte Alvin sich, hier drinnen ist keine Menschenseele. Doch er blieb still liegen.
    Alles Lachen war von ihm gewichen, weil er es fühlen konnte, daß jemand dort stand. Nein, das ist ein Alptraum, nicht mehr, ich bin immer noch erschrocken von dem Gedanken an die Roten, die mich draußen beobachten, oder vielleicht auch von Annes Drohung; wenn ich einfach hier mit geschlossenen Augen liegenbleibe, wird es schon wieder verschwinden.
    Die Schwärze im Inneren von Als Augenlidern wurde rosa. Licht war plötzlich in seinem Zimmer. Ein Licht, so hell wie der Tag. Auf der ganzen Welt gab es keine Kerze, nein, nicht einmal eine Laterne, die so hell leuchten konnte. Al öffnete die Augen, und all seine Furcht verwandelte sich in Entsetzen, denn nun sah er, daß das, was er befürchtet hatte, wirklich war.
    Am Fußende seines Betts stand ein Mann, der so leuchtete, als wäre er aus Sonnenlicht. Das Licht im Raum strahlte aus seiner Haut hervor, aus seiner Brust, dort, wo sein Hemd aufgerissen war, aus seinem Gesicht, aus seinen Händen. Und in einer dieser Hände ein Messer, ein scharfes Stahlmesser. Ich werde sterben, dachte Al. Genau wie Anne es mir versprochen hat, nur daß es für seine Schwestern nicht die geringste Möglichkeit gab, eine derart mächtige Erscheinung wie diese heraufzubeschwören. Dieser helle leuchtende Mann war von allein gekommen, soviel war sicher, und er wollte Alvin Junior wegen seiner Sünden umbringen und nicht etwa, weil jemand anders ihn auf ihn angesetzt hatte.
    Dann schien es so, als würde das Licht des Mannes sich durch Alvins Haut bohren und in ihn eindringen, und da wich alle Furcht von ihm. Der leuchtende Mann hatte zwar ein Messer dabei, und vielleicht war er auch wirklich in den Raum getreten, ohne die Tür auch nur einen winzigen Spalt aufzuschieben, doch er wollte Alvin nichts Böses. Also entspannte Alvin sich ein wenig und zappelte sich im Bett ein bißchen hoch, bis er fast saß, den leuchtenden Mann im Auge und darauf wartend, was er tun würde.
    Der leuchtende Mann nahm sein helles Stahlmesser und führte die Klinge gegen seine andere Handfläche – und schnitt zu. Alvin sah das glitzernde rote Blut aus der Wunde in der Hand des leuchtenden Mannes strömen, seinen Unterarm hinab und vom Ellenbogen hinunter auf den Boden tropfen. Doch hatte er keine vier Tropfen geschaut, als er plötzlich eine Vision hatte. Er konnte das Zimmer seiner Schwestern erkennen, aber es war völlig verändert. Die Betten war sehr hoch, und seine Schwestern waren Riesinnen, so daß er nichts sehen konnte außer großen ollen Füßen und Beinen. Da begriff er, daß er das Zimmer aus der Sicht eines winzigen Wesens betrachtete, nämlich einer Küchenschabe. In seiner Vision krabbelte er eilig voran, von Hunger erfüllt, völlig furchtlos, wissend, daß es, wenn er nur auf einen dieser Füße krabbeln konnte, soviel Nahrung geben würde, wie er sich nur wünschte. Also eilte er weiter, kletterte, krabbelte, suchte. Doch es gab keine Nahrung, statt dessen griffen riesige Hände nach ihm und schubsten ihn fort, und ein großer, riesiger Schatten war plötzlich über ihm, und er spürte den harten, stechenden Schmerz des Todes.
    Nicht nur einmal, sondern viele Male. Zigmal spürte er diese Hoffnung auf Nahrung, diese Zuversicht, daß ihm nichts geschehen würde, und dann die Enttäuschung, nichts zu essen zu bekommen, und das Entsetzen und das Erstaunen und – den Tod. Jedes kleine, vertrauensselige Leben betrogen, zerquetscht, zerschlagen.
    Und dann war er in seiner Vision einer der Überlebenden, einer, dem es gelang, vor den stampfenden Stiefeln zu fliehen, unter die Betten, in die Ritzen der Wände hinein. Er floh aus dem Raum des Todes, aber nicht zurück an den alten Ort, nicht zurück in das sichere Zimmer, denn das war nicht mehr sicher, sondern der Ort, wo die Lügen herkamen, das war der Raum des Verräters, der sie hierher geschickt hatte, um zu sterben. In dieser Vision gab es natürlich keine Worte. Es konnte keine Worte geben, keinen klaren Gedanken im Hirn einer Schabe.

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