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Der siebente Sohn

Der siebente Sohn

Titel: Der siebente Sohn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Orson Scott Card
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Kerzenlicht im Zimmer um, drehte sein Bett um, blickte in jede Ecke, doch er entdeckte nichts. Calvin schlief, den Daumen in den Mund gesteckt, was bedeuten mußte, daß sie, wenn sie tatsächlich in seinem Zimmer umhergeschlichen waren, es schon vor geraumer Weile getan haben mußten. Er begann sich zu fragen, ob die Mädchen sich ausnahmsweise dazu entschieden hatten, ihn in Frieden zu lassen oder ihre schmutzigen Streiche sogar den Zwillingen zu spielen. Es würde ein völlig neues Leben für ihn anbrechen, wenn die Mädchen anfangen sollten, nett zu sein. So als würde ein Engel herabsteigen und ihn aus der Hölle emporheben.
    So schnell er konnte, zog er seine Kleider aus, faltete sie zusammen und legte sie neben seinem Bett auf den Schemel, damit sie am Morgen nicht voller Küchenschaben waren. Er hatte eine Art Abmachung mit den Schaben. Sie konnte in alles hineinkriechen, was sich am Boden befand, durften aber weder in Calvins noch in Alvins Bett und auch nicht auf seinen Schemel. Als Gegenleistung zertrampelte Alvin sie nie. Als Folge davon war Alvins Zimmer so etwas wie das Küchenschabenallerheiligste des Hauses, doch da sie sich an die Abmachung hielten, waren er und Calvin die einzigen, die niemals aufwachten und Küchenschaben in ihrem Bett fanden.
    Er nahm sein Nachthemd vom Haken und streifte es über den Kopf.
    Irgend etwas biß ihn unter dem Arm. Der stechende Schmerz ließ ihn aufschreien. Etwas anderes biß ihn an der Schulter. Was immer es war, es befand sich überall in seinem Nachthemd, und als er es von sich riß, knabberte es weiterhin überall an ihm herum. Endlich hatte er es abgelegt und fuhr, mit den Händen über die Haut, um die Insekten oder was immer es sein mochte abzustreifen.
    Dann griff er hinunter und nahm vorsichtig sein Nachthemd auf. Er sah nichts, was hastig davongeeilt wäre, und selbst als er es schüttelte und schüttelte, fiel kein Insekt heraus. Dafür etwas anderes. Es glitzerte einen Augenblick im Kerzenlicht und gab ein winziges, plinkendes Geräusch, als es auf den Boden fiel.
    Erst dann bemerkte Alvin Junior das erstickte Kichern aus dem Nachbarzimmer. Oh, sie hatten ihm doch wieder einen Streich gespielt! Er setzte sich auf die Bettkante, pickte Nadeln aus seinem Nachthemd und stach sie in die untere Ecke seiner Steppdecke. Er hätte nie geglaubt, daß sie so verrückt sein könnten, den Verlust von einer von Mamas kostbaren Stahlnadeln zu riskieren, nur um sich an ihm zu rächen. Doch er hätte es wissen müssen. Mädchen hielten sich nie an irgendwelche Spielregeln so wie Jungen. Wenn ein Junge einen im Ringkampf umschubste, dann stürzte er sich entweder auf einen oder wartete, bis man wieder aufgestanden war, so oder so befand man sich dann auf gleicher Stufe – entweder beide aufrecht stehend oder beide am Boden liegend. Doch Al wußte aus schmerzvoller Erfahrung, daß Mädchen einen traten, wenn man am Boden lag, und sich gegen einen verbündeten, wann immer sie dazu Gelegenheit hatten. Wenn sie kämpften, so kämpften sie, um den Kampf möglichst schnell zu beenden, was der Sache immer jeden Spaß nahm.
    Heute nacht war es genauso. Es war keine gerechte Strafe, da hatte er sie mit seinem Finger gepiekst und sie hatten ihn mit Nadeln übersät. Vielleicht blutete er sogar, so tief hatten sie eingestochen. Alvin glaubte, daß Matilda nicht einmal eine Schramme hatte, obwohl er sich wünschte, sie hätte eine.
    Alvin Junior war nicht gemein, o nein, aber wie er so auf der Bettkante saß, Nadeln aus seinem Nachthemd holte und die Schaben beobachtete, die in den Bodenritzen ihren Geschäften nachgingen, mußte er sich einfach vorstellen, wie es wohl wäre, wenn all diese Schaben einem bestimmten Zimmer einen kleinen Besuch abstatteten.
    Also kniete er auf dem Boden nieder, stellte die Kerze dort ab und begann, den Schaben etwas zuzuflüstern, genau wie an jenem Tag, da er mit ihnen das Abkommen geschlossen hatte. Er erzählte ihnen alles über schöne glatte Laken und weiche, glibschige Haut, über die sie krabbeln konnten, am meisten aber über Matildas seidenes Gänsedaunenkissen. Doch das schien die Schaben nicht sonderlich zu interessieren. Nichts als hungrig sind sie, dachte Alvin. Ihnen ist nur Essen wichtig. Also begann er, ihnen von den allerköstlichsten Speisen zu erzählen, die sie jemals im Leben bekommen hatten. Die Schaben wurden sofort aufmerksam und kamen näher, um ihm zuzuhören, obwohl nicht eine von ihnen an ihm heraufkrabbelte, was völlig

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