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Der siebente Sohn

Der siebente Sohn

Titel: Der siebente Sohn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Orson Scott Card
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war, geformt, wie seine Hände sie erschaffen hatten, mit Bäumen und Tieren, die rannten und sprangen, flogen und schwammen, krabbelten und gruben. Nein, er verfügte über keine schreckliche Macht, sondern eine wunderbare, wenn er nur lernte, sie zu nutzen.
    Nun, wenn es nicht das Sterben und nicht seine Macht waren, was habe ich denn dann falsch gemacht?
    Diesmal zeigte ihm der leuchtende Mann überhaupt nichts, keinen Lichtausbruch, keine Vision. Statt dessen kam die Antwort einfach aus dem Inneren seines eigenen Selbst. In einem Augenblick hatte er sich noch viel zu dumm gefühlt, um seine eigene Bösartigkeit zu begreifen, und im nächsten sah er sie so klar, wie man sie nur sehen konnte.
    Verwerflich war nicht der Tod der Schaben, sondern allein die Tatsache, daß alles nur seinem eigenen Vergnügen gedient hatte. Er hatte die Schaben in den Tod geschickt und seinen Schwestern geschadet, nur damit er im Bett liegen und sich vor Lachen schütteln konnte, weil er sich gerächt hatte…
    Der leuchtende Mann hörte die Gedanken von Alvins Herz, jawohl, und Alvin Junior sah, wie ein Feuer aus seinem blitzenden Auge hervorsprang und ihn ins Herz traf. Er hatte es erraten. Er hatte recht.
    Also leistete Alvin das feierlichste Versprechen seines ganzen Lebens. Er hatte eine Fähigkeit, und er würde sie nutzen, aber er würde sich an gewisse Gesetze halten, auch wenn es ihn umbrachte. »Ich werde es niemals mehr für mich selbst anwenden«, sagte Alvin Junior. Und als er diese Worte aussprach, hatte er das Gefühl, als würde sein Herz brennen, so heiß war es darin.
    Der leuchtende Mann verschwand wieder.
    Alvin lehnte sich zurück, glitt unter die Decke, erschöpft vom Weinen und matt vor Erleichterung. Er hatte etwas Schlimmes getan. Doch solange er seinen Schwur hielt und seine Fähigkeit nur benutzte, um anderen Menschen zu helfen und sie niemals benutzte, um sich selbst zu helfen, solange würde er ein guter Junge sein und brauchte sich nicht zu schämen. Er fühlte sich so leicht im Kopf, als wäre er aus einem Fiebertraum erwacht, und so ähnlich war es ja auch, denn er war von einer Bösartigkeit geheilt worden, die eine Weile in ihm herangewachsen war.
    Während er so dalag, spürte Alvin erneut, wie das Licht im Raum anschwoll. Doch diesmal kam es nicht von dem leuchtenden Mann. Als er die Augen öffnete, erkannte er, daß das Licht aus ihm selbst hervorkam. Seine eigenen Hände leuchteten, sein eigenes Gesicht mußte ebenso glühen wie das des leuchtenden Mannes. Er warf seine Decken zurück und sah, daß sein ganzer Körper von einem Licht erstrahlte, das so blendend war, daß er es kaum ertrug, sich selbst zu betrachten. Bin ich das? dachte er.
    Nein, nicht ich. Ich leuchte so, weil ich etwas tun soll. Genau wie der leuchtende Mann etwas für mich getan hat, muß ich auch etwas tun. Aber für wen soll ich etwas tun?
    Plötzlich war der leuchtende Mann wieder am Fußende seines Bettes, doch er leuchtete nicht mehr. Nun erst begriff Al Junior, daß er diesen Mann kannte. Es war Lolla-Wossiky, dieser einäugige Whiskey-Rote, der sich vor ein paar Tagen hatte taufen lassen, noch immer in den Kleidern des Weißen Mannes, die sie ihm gegeben hatten, als er Christ geworden war. Mit dem Licht in seinem Inneren konnte Alvin nun klarer sehen als jemals zuvor. Er sah, daß es nicht der Fusel war, der diesen armen Roten Mann vergiftete, und es war auch nicht der Verlust des einen Auges, der ihn verkrüppelte, sondern etwas viel Finstereres, etwas, das wie Schimmel im Inneren seines Kopfes wuchs.
    Der Rote Mann machte drei Schritte vor und kniete neben dem Bett nieder, sein Gesicht war nur ein kleines Stück von Alvins Augen entfernt. Was willst du von mir? Was soll ich tun?
    Zum ersten Mal öffnete der Mann seine Augen und sprach. »Mach alle Dinge ganz«, sagte er. Im nächsten Augenblick begriff Al Junior, daß der Mann es in seiner eigenen Sprache gesagt hatte, doch Al hatte es so deutlich verstanden, als wäre es das Englisch des Lordprotektors persönlich gewesen. Mach alle Dinge ganz.
    Nun, das war ja schließlich Als Fertigkeit: Dinge zu reparieren, dafür zu sorgen, daß die Dinge so liefen, wie sie sollten. Das Problem war nur, daß er selbst nicht so richtig begriff, wie er das anstellte, außerdem hatte er keinerlei Vorstellung, wie er etwas reparieren sollte, das lebendig war.
    Aber vielleicht brauchte er es auch gar nicht zu verstehen. Vielleicht mußte er einfach nur handeln. Also hob er die Hand,

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