Der siebente Sohn
himmlischen Plan, ihn zu retten.«
Dann, auf einmal, hatte Papa überhaupt keine Mühe mehr mit dem Sprechen. Papa versuchte nur nicht mehr, das Schwierige auszusprechen, und Alvin Junior fühlte sich im Stich gelassen, aber er wußte auch, daß sein Papa nicht aufgegeben hätte, es sei denn, irgendeine schreckliche Kraft hinderte ihn am Reden. Papa war ein starker Mann, überhaupt nicht feige. Und Papa so geschlagen zu sehen, das ließ den Jungen ängstlich werden. Natürlich hatte Kleinalvin mitgekriegt, daß Mama und Papa über ihn sprachen, auch wenn er nicht alles verstand, was sie sagten. Papa jedenfalls glaubte, daß irgend jemand Alvin Junior tot haben wollte, doch wenn Papa versuchte, seinen wirklichen Beweis vorzubringen, dann stopfte ihm irgend etwas den Mund und ließ ihn verstummen.
Alvin Junior war sofort klar, daß das, was Papa zum Schweigen brachte, das genaue Gegenteil des leuchtenden Lichtes war, das Alvin und den Roten heute nacht erfüllt hatte. Es gab etwas, das wollte, daß Alvin stark und gut wurde. Und es gab noch etwas anderes, das Alvin tot haben wollte. Was immer das Gute war, es konnte ihm seine schreckliche Sünde vor Augen führen und ihm beibringen, wie er sie auf alle Zeiten ausschließen konnte. Aber das böse Ding besaß die Macht, Papas Mund zum Schweigen zu bringen, den stärksten, besten Mann zu schlagen, den AI Junior jemals gekannt hatte.
Als Papa seine Einwände fortsetzte, wußte sein siebenter Sohn, daß er dabei nicht den Beweis vorbrachte, auf den es eigentlich ankam. »Weder Teufel noch Engel«, sagte Papa, »es sind die Elemente des Universums, siehst du denn nicht, daß er ein Verstoß gegen die Natur ist? Es ist Macht in ihm, wie du und ich sie nicht einmal erahnen können. Soviel Macht in einem Wesen, daß die Natur selbst es nicht aushält – soviel Macht, daß er sich selbst schützt, sogar wenn er gar nicht weiß, daß er es tut.«
«Und wenn der siebente Sohn eines siebenten Sohns soviel Macht haben sollte, wo bleibt dann deine Macht, Alvin Miller? Du bist auch ein siebenter Sohn – das ist doch angeblich auch etwas Besonderes, aber ich sehe dich nicht beim Rutengehen oder…»
»Du weißt nicht, was ich tue…«
»Ich weiß, was du nicht tust. Ich weiß, daß du nicht glaubst…«
»Ich glaube an alles Wahre…«
»Ich weiß, daß alle anderen Männer unten auf dem Gemeindeplatz sind und diese prachtvolle Kirche bauen, nur du nicht…«
»Dieser Prediger ist ein Narr…«
»Denkst du niemals darüber nach, daß Gott vielleicht deinen kostbaren siebenten Sohn dazu verwenden könnte, um dich zur Umkehr und zur Buße zu bewegen?«
»Ach, an so einen Gott glaubst du also? Von der Sorte, die versucht, kleine Jungen umzubringen, damit ihre Papas zum Gottesdienst gehen?«
»Der Herr hat deinen Jungen gerettet, als Zeichen seiner Liebe und seines Mitleids…«
»Der Liebe und des Mitleids, die meinen Vigor sterben ließen…«
»Aber eines Tages wird seine Geduld am Ende sein…«
»Und dann wird er wieder einen von meinen Söhnen ermorden.«
Sie schlug ihm ins Gesicht. Alvin Junior sah es mit eigenen Augen. Es war kein Schlag, wie sie ihn ihren Söhnen gelegentlich verpaßte, wenn sie frech oder faul gewesen waren, sondern ein schwerer Hieb, der ihm fast das Gesicht fortgerissen hätte. Rücklings stürzte er zu Boden.
»Ich sage dir eines, Alvin Miller.«
Ihre Stimme war so kalt, daß sie schon brannte. »Wenn diese Kirche fertig ist und du keinen Handschlag dafür getan hast, dann wirst du aufhören, mein Ehemann zu sein, und ich werde aufhören, deine Ehefrau zu sein.«
Wenn noch mehr Worte gewechselt wurden, so hörte Alvin Junior sie jedenfalls nicht mehr. Er saß in seinem Bett, erschreckt darüber, daß ein solch gräßlicher Gedanke tatsächlich gedacht und sogar ausgesprochen werden konnte. Heute nacht hatte er sich schon so oft gefürchtet, vor dem Schmerz, vor dem Sterben, als Anne ihm mörderische Pläne ins Ohr geflüstert hatte, und am meisten, als der leuchtende Mann gekommen war, um ihm seine Sünde zu zeigen. Doch das hier war etwas anderes. Das war das Ende des ganzen Universums, das Ende der einzigen sicheren Sache, die es gab: Mama davon reden zu hören, nicht mehr mit Papa zusammenzusein. Er lag in seinem Bett, alle möglichen Gedanken tanzten in seinem Kopf herum, so schnell, daß er nicht einen von ihnen festhalten konnte, und schließlich blieb ihm in all dieser Verwirrung nichts anderes mehr übrig als einzuschlafen.
Am
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