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Der siebente Sohn

Der siebente Sohn

Titel: Der siebente Sohn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Orson Scott Card
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davon.«
    Nicht viele Ehemänner hätten sich so etwas von ihrer Frau bieten lassen, ohne ihr eine Ohrfeige zu verpassen. Brustwehr wünschte sich manchmal, daß Elly es doch mal zu schätzen wüßte, wie sehr sein christlicher Glaube doch nur zu ihrem Vorteil war.
    »Ein bis zwei Dinge weiß ich sehr wohl«, antwortete er.
    »Sie werden ihn fortschicken«, sagte sie. »Wenn der Frühling kommt, geben sie ihn in eine Lehre. Er ist nicht allzu glücklich darüber, doch er sagt nichts dagegen, er liegt einfach nur im Bett, spricht ganz leise und schaut mich und alle anderen an, als würde er die ganze Zeit Lebewohl sagen.«
    »Weshalb wollen sie ihn denn fortschicken?«
    »Das habe ich dir doch gesagt, um ihn in eine Lehre zu geben.«
    »So, wie sie diesen Jungen bemuttern, kann ich mir kaum vorstellen, daß sie ihn jemals außer Sichtweite lassen.«
    »Und sie wollen ihn auch nicht in die Nähe schicken. Nein, bis ins östliche Ende des Hiogebiets, in die Nähe von Fort Dekane. Das ist ja schon die halbe Strecke bis zum Meer.«
    »Weißt du, irgendwie erscheint das vernünftig, wenn man mal darüber nachdenkt.«
    »Ach ja?«
    »Jetzt, da die Roten Schwierigkeiten machen, wollen sie ihn in Sicherheit bringen. Die anderen können ruhig hierbleiben, um einen Pfeil ins Gesicht zu bekommen, aber nicht Alvin Junior.«
    Sie musterte ihn mit vernichtender Verachtung. »Manchmal bist du so mißtrauisch, daß ich am liebsten kotzen würde, Brustwehr Gottes.«
    »Es hat nichts mit Mißtrauen zu tun, wenn man etwas ausspricht, was wirklich geschieht.«
    »Du kannst doch nicht einmal die Wirklichkeit von einer Gurke unterscheiden.«
    »Wäschst du mir diesen Apfel aus dem Haar, oder muß ich dich dazu bringen, ihn mir abzulecken?«.
    »Ich schätze, ich werde wohl irgend etwas tun müssen, sonst reibst du ihn noch in das ganze Bettleinen.«
    Geschichtentauscher kam sich fast vor wie ein Dieb, so viele Dinge mitzunehmen, als er ging. Zwei Paar dicker Socken. Eine neue Decke. Ein Umhang aus Elchhaut. Eingemachtes und Käse. Einen guten Schleifstein.
    Und Dinge, von denen sie gar nicht wissen konnte, daß sie sie ihm geschenkt hatten. Ein ausgeruhter Körper, frei von Schmerz und Wunden. Gütige Gesichter, frisch in Erinnerung. Und Geschichten, Geschichten, im versiegelten Teil des Buchs aufgeschrieben, jene, die er selbst schrieb. Und wahre Geschichten, von ihren eigenen Händen schmerzhaft eingeschrieben.
    Doch er hatte ihnen einen guten Gegenwert gegeben, oder er hatte es zumindest versucht. Die Dächer waren für den Winter geflickt worden, aber wichtiger war: Sie hatten ein Buch mit Ben Franklins eigener Handschrift darin gesehen. Bevor Geschichtentauscher gekommen war, waren sie Teil ihrer Familie und Teil des Wobbish-Landes gewesen, nicht mehr. Nun gehörten sie viel größeren Geschichten an. Gehörten zum Krieg der Unabhängigkeit der Appalachees und zum Amerikanischen Pakt.
    Er hatte ihnen noch einige andere Dinge hinterlassen. Einen geliebten Sohn, den er unter einem stürzenden Mühlstein hervorgezogen hatte, einen Vater, der nun die Kraft besaß, seinen Sohn fortzuschicken, bevor er ihn tötete. Einen Namen für den Alptraum eines jungen Mannes, damit er verstand, daß sein Feind wirklich war, eine geflüsterte Ermutigung an ein zerbrochenes Kind, sich selbst zu heilen.
    Und eine einzige Zeichnung, in eine Scheibe Eichenholz mit der Spitze eines heißen Messers eingebrannt. Er hätte viel lieber mit Wachs und Säure auf Metall gearbeitet, doch in dieser Gegend war nichts davon aufzutreiben. Also brannte er Striche ins Holz, machte daraus, was er konnte. Das Bild von einem jungen Mann in der Gewalt eines reißenden Flusses, hilflos verheddert in den Wurzeln eines treibenden Baums. An der Kunstakademie des Lordprotektors hätte es nur Hohn eingebracht, weil das Bild so einfach war. Aber Goody Faith stieß einen Schrei aus, als sie es erblickte, und drückte es an sich, ließ ihre Tränen darüberströmen wie die letzten Tropfen von den Weiden nach einem Regen. Vater Alvin nickte, als er es sah, und sagte: »Das ist Eure Vision, Geschichtentauscher. Ihr habt sein Gesicht vollkommen so wiedergegeben, wie es aussah, und dabei habt Ihr ihn noch nicht einmal gesehen. Das ist Vigor.«
    Dann weinte auch er.
    Sie befestigten es über dem Kaminsims. Es mochte keine große Kunst sein, dachte Geschichtentauscher, aber es war wahr und bedeutete diesen Menschen mehr, als jedes Porträt irgendeinem fetten alten Lord oder Parlamentarier

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