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Der siebente Sohn

Der siebente Sohn

Titel: Der siebente Sohn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Orson Scott Card
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weil du deiner fleischlichen Begierden ausschließlich dadurch Herr wirst, indem du auf deinem Stuhl gerade sitzt, die Knie zusammengelegt, die Hände vorsichtig in den Schoß gelegt, muß das noch nicht bedeuten, daß ich dasselbe tun muß.«
    Thrower war verlegen. »Es ist nicht gerecht, mich wegen meiner Gedanken zurechtzuweisen.«
    »Das ist es sehr wohl, wenn deine Gedanken mich für meine Taten zurechtweisen. Hüte dich vor Überheblichkeit, mein Freund. Halte dich selbst nur nicht für so rechtschaffen, daß du glaubst, du könntest über das Tun von Engeln richten.«
    Es war das erste Mal, daß der Besucher sich selbst als Engel bezeichnet hatte.
    »Ich habe mich als überhaupt nichts bezeichnet«, sagte der Besucher. »Du mußt lernen, deine Gedanken zu beherrschen, Thrower. Du ziehst viel zu voreilig deine Schlüsse.«
    »Warum habt Ihr mich aufgesucht?«
    »Es geht um den Erbauer dieses Altars«, erwiderte der Besucher. Er berührte eines der Kreuze, die Alvin Junior ins Holz gebrannt hatte.
    »Ich habe mein Bestes getan, aber der Junge ist unbelehrbar. Er zweifelt alles an und widerspricht jeder Aussage der Theologie, als müßte sie dieselben Prüfungen der Logik und des inneren Zusammenhangs bestehen, wie sie in der Welt der Wissenschaft herrschen.«
    »Mit anderen Worten, er erwartet von dir, daß deine Lehren einen Sinn ergeben.«
    »Er ist nicht willens, die Vorstellung hinzunehmen, daß manche Dinge Geheimnisse bleiben, die nur der Geist Gottes verstehen kann. Mehrdeutigkeit läßt ihn frech werden, und Paradoxien entfachen seine offene Rebellion.«
    »Ein schreckliches Kind.«
    »Das schlimmste, das ich je gesehen habe«, sagte Thrower.
    Die Augen des Besuchers blitzten. Thrower spürte ein Stechen in seinem Herzen.
    »Ich habe es versucht«, sagte er. »Ich habe versucht, ihn dazu zu bringen, dem Herrn zu dienen. Doch der Einfluß seines Vaters…«
    »Nur ein schwacher Mann gibt der Kraft anderer die Schuld für sein eigenes Versagen«, meinte der Besucher.
    »Noch habe ich nicht versagt!« warf Thrower ein. »Ihr habt mir gesagt, daß ich den Jungen hätte, bis er vierzehn…«
    »Ich habe dir gesagt, daß ich den Jungen habe, bis er vierzehn ist. Du hast ihn nur, solange er hier lebt.«
    »Ich habe nichts davon gehört, daß die Millers fortziehen würden. Sie haben gerade ihren Mühlstein gesetzt, im Frühling wollen sie mit dem Mahlen anfangen, sie würden doch nicht gehen, ohne…«
    Der Besucher erhob sich vom Altar. »Stell dir folgenden Fall vor, Reverend Thrower. Rein hypothetisch. Nehmen wir einmal an, du wärst im selben Raum mit dem schlimmsten Feind all dessen, wofür ich stehe. Nehmen wir an, daß er krank wäre und hilflos im Bett läge. Wenn er genesen sollte, würde man ihn deinem Zugriff entziehen und er würde also damit fortfahren, alles zu vernichten, was du und ich auf dieser Welt lieben. Stürbe er aber, so wäre unsere große Sache in Sicherheit. Nehmen wir ferner an, daß jemand ein Messer in deine Hand legte und dich bäte, eine schwierige Operation an dem Jungen zu vollziehen. Und nehmen wir auch an, daß du dabei ausglittest, nur ein winziges Stück, so daß dein Messer eine große Arterie durchtrennte. Und nehmen wir an, daß sein Lebenssaft so schnell ausströmen würde, daß er schon wenige Augenblicke später stürbe, sofern du nur ein wenig zögertest. Gesetzt diesen Fall, Reverend Thrower, was wäre dann deine Pflicht?«
    Thrower war entsetzt. All sein Leben lang hatte er darauf hingearbeitet, zu lehren, zu überzeugen und zu ermahnen. Niemals jedoch, eine solch blutige Tat zu vollziehen, wie sie der Besucher ihm nahegelegt hatte. »Ich bin für derlei Dinge nicht geeignet«, erwiderte er.
    »Bist du für das Reich Gottes geeignet?« fragte der Besucher.
    »Aber der Herr sagte: Du sollst nicht töten.«
    »Ach ja? Hat er das zu Joshua gesagt, als er ihn ins verheißene Land sandte? Ist es das, was er zu Saul sagte, als er ihn gegen die Amalekiter ausschickte?«
    Thrower dachte an diese dunklen Passagen im Alten Testament und erzitterte vor Furcht bei dem Gedanken, selbst an solchen Dingen teilhaben zu sollen.
    Doch der Besucher gab nicht nach. »Der Hohepriester Samuel befahl König Saul, alle Amalekiter zu töten, jeden Mann und jede Frau, jedes Kind. Doch Saul hatte nicht den Mut dazu. Er rettete den König der Amalekiter und brachte ihn lebend zurück. Und wie hat der Herr dieses Verbrechen des Ungehorsams bestraft?«
    »Er hat David an seiner Statt zum König

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