Der siebte Kreis des Wissens - Covenant 02
seines guten Willens –, schlimmer als Covenant, denn Covenant versuchte wenigstens, die Unwahrheit zu vermeiden, sich irgendwelches Vertrauen entgegenbringen zu lassen. Aber er, Hile Troy, hatte vorsätzlich um Vertrauen geworben, Verantwortung gesucht, Befehlsgewalt ... nein, dieser Gedanke war unerträglich. Er mußte siegen, mußte siegen!
Sobald er den Kamm des südlichen Hügels überwunden hatte, ließ er Mehryl auf normales Marschtempo verlangsamen, so daß Lord Mhoram und die restlichen achtzehn Bluthüter ihn einholen konnten. »Warum nimmt sie ihn mit?« fragte er dann durch die Zähne, mit gemäßigter Stimme, um Mhoram nicht in vorwurfsvollem Ton anzusprechen. »Er hat Trells Tochter vergewaltigt.« Mhoram antwortete mit Nachsicht. »Streitmark Troy, mein Freund, du mußt verstehen, daß der Hoch-Lord kaum eine Wahl besitzt. Der Pfad seiner Pflichterfüllung ist schmal und behäuft mit gefahrvollen Hemmnissen. Er muß versuchen, sich den Siebten Kreis des Wissens anzueignen. Und sie muß Ur-Lord Covenant mitnehmen – um des Weißgolds willen. Mit dem Stab des Gesetzes gilt's zu verhüten, daß sein Ring in Lord Fouls Hände gerät. Und sollte er sich wider das Land stellen, so muß sie gleichfalls in seiner Nähe sein – um ihn im Kampf zu überwinden.«
Troy nickte vor sich hin. Das waren Überlegungen, die er als einsichtig betrachtete. Unvermittelt schüttelte er sich, unterdrückte seine Neigung zum instinktiven Widerspruch. Mühevoll entkrampfte er seine Kiefer und stieß einen Seufzer aus. »Ich will dir mal was sagen, Mhoram. Wenn ich mit diesem Krieg fertig bin – wenn ich in der Überzeugung zurückschauen kann, der armen Atiaran eine Genugtuung erwiesen zu haben –, dann werde ich für einige Jahre hintereinander in Andelain Urlaub machen. Ich werde mich in Andelain auf den Hintern setzen und keinen Finger rühren, bis ich das Frühlingsfest zu sehen bekomme. Andernfalls werde ich diesem verfluchten Covenant nie verzeihen können, daß er glücklicher als ich dran ist.« Aber in Wahrheit meinte er ›glücklicher‹ in anderer Beziehung. Obwohl er jetzt einsah, daß es keine Alternative gab, schmerzte ihn der Gedanke, daß Elena nicht ihn zum Begleiter auserwählt hatte, sondern Covenant.
Falls Mhoram ihn jedoch durchschaute, richtete sich der Lord trotzdem taktvoll nach dem, was gesagt worden war, nicht danach, was Troy meinte. »Ach, wenn wir siegreich sind« – Mhoram lächelte, doch war sein Tonfall ernst –, »wirst du dabei nicht allein sein. Die Hälfte aller Bewohner des Landes wird dann in Andelain sein, sobald das Dunkel des Mondes zum nächsten Mal in des Frühlings Mitte fällt. Nur wenige leben noch, die einst den Tanz der Flammengeister von Andelain schauen durften.«
»Na, ich werde auf jeden Fall als erster dort sein«, bemerkte Troy leise, darum bemüht, die Konversation in Gang zu halten. Aber dann konnte er es sich doch nicht verkneifen, wieder vom Zweifler anzufangen. »Mhoram, verabscheust du ihn eigentlich gar nicht? Nach dem, was er angestellt hat?«
»Ich besitze keine besondere Tugend«, antwortete Lord Mhoram offenherzig und gleichmütig, »die mich befähigen könnte, ihn zu verabscheuen. Man muß Stärke besitzen, um über die Schwäche anderer urteilen zu dürfen. So machtvoll bin ich nicht.«
Diese Antwort verblüffte Troy. Einen Moment lang starrte er Mhoram an, fragte stumm: Ist das wahr? Glaubst du das? Aber er sah, daß Mhoram es glaubte. Verwirrt wandte sich Troy ab. Umgeben von den Bluthütern, ritten er und Lord Mhoram in einem Halbkreis durch die Hügel, der sie in allgemein ostsüdöstliche Richtung brachte und es ihnen ermöglichen sollte, das Kriegsheer abzupassen. Während der Tag verstrich, war Troy immer mehr dazu in der Lage, seine Gedanken dem auf dem Marsch befindlichen Heer zu widmen. Fragen begannen ihn zu beschäftigen. Waren die Dörfer entlang der Marschroute dazu imstande, den Kriegern genug Proviant zu liefern? War Trutzmark Amorine fähig genug, um das Durchhalten des Marschtempos durchzusetzen? Solche Sorgen machten es ihm möglich, seine bösen Ahnungen zu verdrängen, das schmerzliche Gefühl des Verlusts zu überspielen. Im Zuge dieser Überlegungen verwandelte er sich wieder in einen anderen Menschen – weniger der blinde, unsichere Fremde im Land, mehr der Streitmark des Kriegsheers der Lords von der Herrenhöh. Diese Wandlung verlieh ihm Fassung. Mit dieser Seite seines Daseins war er weitaus zufriedener. Es verlangte
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