Der siebte Kreis des Wissens - Covenant 02
Streitmarks war für sie zuviel. Die Ursache war klar. Das ätzkräftige Blut des erschlagenen Vogels hatte sein Gesicht verwüstet und sein vom Lande geschenktes geistiges Sehvermögen wieder beseitigt. Keiner der Lords besaß Heilerde, hatte Rillinlure oder andere Mittel zur Hand, um dieser Schädigung entgegenzuwirken. Als Amorine Troys Schicksal erkannte, schien sie ihre Persönlichkeit zu verlieren; jeder unabhängige Wille floh sie. Bis sie wieder zum Kriegsheer stießen, richtete sie sich gleichgültig nach Lord Mhorams Ansinnen und Anweisungen, wie eine Puppe, als sei sie aller Zuständigkeit und Befehlsgewalt enthoben. Und als sie Schwertmark Quaan wiedersah, unterstellte sie sich seinem Befehl. Sie war derartig benommen, daß sie kein einziges Mal ins Stocken geriet, während sie ihm von Troys Plan erzählte. Der Streitmark selbst hatte der Darlegung seines endgültigen Schlachtplans nichts hinzugefügt. Er blieb hinter dem inneren Wall seiner Blindheit und ließ sich von Mhoram auf Mehryls Rücken helfen. Er erkundigte sich nicht nach Markschänders Heer, obwohl nur die Schnelligkeit der Ranyhyn ihn und seine Begleiter davor bewahrte, in der Ruinenstadt eingeschlossen zu werden. Trotz des Wutbrüllens, das den Reitern aus den Trümmern nachdröhnte, verhielt er sich wie ein Krüppel, der sein Angesicht den Wänden zuzukehren pflegte.
Auch Lord Mhoram kam nicht ungeschoren davon. Nach der Auseinandersetzung im ›Heim der Meister‹ hatten Ermattung und Furcht hartnäckige Finger in die Furchen und Risse seiner Seele gezwängt, die er nicht abzuschütteln vermochte. Doch er stand dem Trutzmark und Lord Callindrill so tüchtig wie möglich bei. Er wußte, daß nur die Zeit und ein Sieg dazu imstande waren, die erlittenen Wunden zu heilen; aber er übernahm jene Teile ihrer Bürden, von denen er Kenntnis erhielt, und gewährte ihnen zum Austausch soviel Zuspruch, wie er aufbringen konnte. Aber es ließ sich nichts tun, um den Schrecken zu mildern, den Amorines Wiedergabe vom letzten Plan des Streitmarks Quaan einjagte. Während sie sprach, wich seine Sorge um die äußersten Grauen in Anbetracht des womöglichen Schicksals der Krieger. Seine Miene spiegelte Heftigkeit wider, und er brauste auf. »Wahnwitz! Jeder einzelne Mann und jede einzelne Frau werden den Tod finden! Troy, was ist aus dir geworden? Bei der Sieben! Troy ... Streitmark ...!« Er zögerte verlegen, ehe er seinen Gedanken aussprach. »Wütest du?« Er ergriff Troy an den Schultern. »Mein Freund«, fügte er leise hinzu, »wie kannst du solche Torheiten ersinnen?«
Troy öffnete erstmals den Mund, seit er Doriendor Korischew verlassen hatte. »Ich bin blind«, sagte er mit hohler Stimme, als erkläre das alles. »Ich kann nichts machen.« Er entzog sich Quaans Zugriff und setzte sich ans Feuer. Er fand die Flammen aufgrund ihrer Hitze und beugte sich ihnen entgegen, als untersuche er in ihrer Glut Geheimnisse.
Quaan wandte sich an Mhoram. »Lord, willigst du in diesen Wahnsinn ein? Er muß für uns alle den Tod bedeuten ... und für das Land Verheerung.« Quaans Einspruch bereitete dem Herzen des Lords Qualen. Doch ehe er die rechten Worte finden konnte, sprach plötzlich wieder Troy.
»Nein, er meint's nicht«, sagte der Streitmark. »Er meint keineswegs, ich sei ein Wütrich.« Innere Pein ließ seine Stimme rauh klingen. »Er glaubt, daß Foul bei meiner Herbeirufung seine Hand im Spiel hatte ... daß er Atiaran irgendwie ins Handwerk pfuschte, so daß ich auftauchte, nicht jemand, der weniger freundlich ausgesehen hätte.« Er betonte das Wort ›ausgesehen‹, als sei Sehen in sich etwas Unzuverlässiges. »Foul wollte, daß die Lords mir vertrauen, weil er wußte, was für eine Sorte Mensch ich bin. Gütiger Gott! Es spielt keine Rolle, wie sehr ich ihn hasse. Er wußte, daß ich der Typ bin, der sich in Ecken zurückzieht, in denen bloßes Versagen das gleiche ist wie Verrat. Aber ihr vergeßt, daß jetzt nichts noch bei mir liegt. Ich habe meinen Teil getan ... euch dahin gebracht, wo ihr keine Wahl mehr habt. Jetzt muß Mhoram euch raushauen. Alles liegt jetzt bei ihm.«
Quaan wirkte hin- und hergerissen zwischen Verdruß über den Streitmark und Sorge um den Menschen Troy. »Selbst ein Lord kann versagen«, erwiderte er barsch.
»Ich rede nicht von irgendeinem Lord«, schnauzte Troy. »Ich spreche von Mhoram.«
In seiner Ermattung verlangte es Lord Mhoram danach, Widerspruch zu erheben, sich dieser Bürde zu verweigern.
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