Der siebte Kreis des Wissens - Covenant 02
für die meiste Zeit. Ein leichtes Fieber beanspruchte seine Aufmerksamkeit, anscheinend eine Folge seines Sprungs in den Bach. Fiebrige Flecken zeigten sich auf seinen sonst stets bleichen Wangen; seine Stirn fühlte sich von Kühle und Schweiß klamm an; und seine Augen glitzerten, als habe ihn eine geheime innere Erregung gepackt. Ab und zu nickte er auf dem Rücken seines spürbar mitgenommenen Reittiers ein, und wenn er aufschrak, merkte er, daß er wie im Delirium vor sich hin faselte. Nicht immer konnte er sich an sein Gerede entsinnen, aber zumindest einmal hatte er wie ein Irrer darauf bestanden, die einzige Möglichkeit zu dauerhaftem Wohlergehen sei unaufhörliches Wachbleiben. Kein Desinfektionsmittel könne die in Träumen zugefügten Wunden reinigen. Die Unschuldigen würden nicht träumen. Wenn er nicht im Halbschlaf murmelte, befaßte er sich mit dem Gebirgstreck. Der Hoch-Lord und seine Begleiter näherten sich einer Art von Bestimmungsort.
Der Morgen nach der Überwindung des Erdrutsches war mit heiterem Sonnenschein heraufgedämmert – in klarer Lebhaftigkeit, die wie eine Entschädigung für die Unerfreulichkeiten des Vortages wirkte.
Als Amok auftauchte, um den Hoch-Lord weiter des Weges zu führen, hatte Elena einen Pfiff ausgestoßen, als riefe sie Myrha, und auf diesen Ruf war ein anderer Ranyhyn gekommen. Covenant hatte ihn, Staunen im Gesicht, durchs Tal herangaloppieren sehen. Die Verläßlichkeit der Ranyhyn, was ihre freiwillige Wahl betraf, überstieg all seine Begriffe von Stolz oder Treue. Das Erscheinen des Ranyhyn erinnerte ihn an seinen alten Handel – den Handel, von dem sowohl Elena wie auch Mähnenhüter Reumut behaupteten, er gälte bei den großen Rössern noch. Aber dann hatte er mühsam seinen Hengst bestiegen, und nichts war von da ab in seine vom Fieber verdrehten Gedanken vorgedrungen. Er hatte kaum genug Durchblick aufgebracht, um Elenas ›Markkneterei‹-Geschenk in Bannors Obhut zu geben.
Nachdem die Reiter unter Amoks Führung das Tal verlassen hatten, bekam Covenant erstmals den Melenkurion Himmelswehr zu sehen. Obwohl er sich noch etliche Längen entfernt in fast genau südöstlicher Richtung von Covenants Standort befand, hob der Berg seinen in Eis gefaßten Zwillingsgipfel über den zerklüfteten Horizont der Bergkette, und seine Schneefelder leuchteten im Sonnenschein bläulich, als stünden dort die azurblauen Pfeiler des Himmels. Elena hatte anscheinend recht mit ihrer Vermutung: Amoks unregelmäßiger Zickzackweg brachte das Grüppchen dem himmelwärts aufgetürmten Berg immer näher. Er verschwand fast sofort wieder außer Sicht, als Amok die Reiter in den Schatten der weiteren Steilwand geleitete, aber im Laufe des Tages rückte er immer häufiger erneut ins Blickfeld. Als wieder der Mond aufging, beherrschte er im Südosten den Horizont. Am Abend brauchte Covenant nicht zu erdulden, wie die Berge um ihn kreisten. Der Melenkurion Himmelswehr war nicht zu sehen, und nach dem Abendessen ließ sein Fieber etwas nach. Von den Anforderungen an sein geschwächtes Konzentrationsvermögen und den Belastungen des Tages befreit, erlangte er über den beabsichtigten Handel eine gewisse Klarheit. Elenas Zustimmung bedurfte das Geschäft nicht; das wußte er und schalt sich zugleich dafür. Sobald der Kitzel der Hoffnung in Fieber und Sorge untergegangen war, verspürte er den dringenden Wunsch, sie in seine Erwägungen einzuweihen. Und die Aufmerksamkeit, die sie ihm entgegenbrachte, machte diese Dringlichkeit schmerzlich. Sie kochte für ihn besondere, heilkräftige Süppchen und Brühen; sie wich vom Weg ab, um für ihn Aliantha zu sammeln. Seine Emotionen ihr gegenüber hatten sich jedoch verändert. In seinen Reaktionen auf ihre zärtliche Fürsorge wirkten Schläue und Schmeichelei mit. Er fürchtete sich davor, was geschehen mochte, wenn er ihr seine Überlegungen anvertraute. Wenn er nachts wach dalag, vom Fieber fröstelte, hatte er im Mund den miesen Geschmack von Nützlichkeitserwägungen. Dann hinderte ihn nicht Verlegenheit oder Vertraulichkeit daran, seine Gedanken darzulegen. Die hartnäckige Notdurft des Überlebens verschloß ihm die Kiefer, sein wütender Kampf gegen den eigenen Tod.
Endlich ging das Fieber vorbei. Am Spätnachmittag des dritten Tages – dem einundzwanzigsten Tag, seit der Hoch-Lord mit seiner Begleitung Schwelgenholz verlassen hatte – erlitt er urplötzlich einen ungeheuren Schweißausbruch, und ihm war zumute, als reiße in
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